By Detlev Schmidt
13.03.2002 / Express Bonn
Bonn - Ja, ja, unsere bierernsten Politiker. Da gibt es in Bonn ein prima Theaterprojekt, bei dem eine Plenarsitzung in Berlin zeitgleich von 666 Bürgerinnen und Bürgern im alten Bonner Plenarsaal nachgespielt werden sollte. „Das Volk vertritt die Volksvertreter“ heißt das Projekt. Eine klasse Idee, die Wahlbürger einmal so agieren zu lassen, wie sie sich unsere richtigen Volksvertreter in Berlin so vorstellen.
Doch da gibt’s von höchster Stelle ein donnerndes Veto. Gottvatergleich hat Bundestagspräsident Wolfgang Thierse erkannt, dass die Bonner Bürger das Ansehen und die Würde des Deutschen Bundestages beeinträchtigen.
Und hat Widerspruch gegen die Veranstaltung eingelegt. Und gleich einen Donner nachgelegt. Den Hinweis auf die Vereinbarungen mit der Stadt Bonn. Verstanden, Frau Oberbürgermeisterin?
Ansehen? Würde? Schwingt da nicht viel mehr die Angst des Präsidenten mit, dass da in Bonn zwar 666 Leute im Plenarsaal sitzen, während sich im Bundestag wieder ein Häufchen Abgeordnete zeitunglesend langweilen und auf die Diäten freuen. Es wäre einmal mehr ein peinliches Schauspiel. wNicht für die Bonner Wahlbürger, sondern für die Berliner Politiker. Aber das kennen wir ja schon.
Vielleicht kann der Bundespräsident nicht mal selbst teilnehmen. Weil er im stillen Kämmerlein über die Spenden-Sünden seiner Kölner Genossen nachgrübeln muss. Ganz schön schwierig zu entscheiden, Schröders Wahlkriegskasse um ein Euro-Milliönchen zu schmälern.
Denn das Ende der Ära Schröder wäre ja zugleich auch das Ende der Ära Thierse als Chef des Bundestages. Und wer will das schon, wenn er so gemütlich in dem Sessel sitzen kann?
Also dann, ihr Bonner Theaterprojekteure. Ihr müsst noch ein bißchen warten mit eurer Sitzung im ehemaligen Plenarsaal. Bis der bärtige Wolfgang nicht mehr um die Würde des Parlaments fürchtet. Vielleicht ist es ja schon im Herbst so weit.
Übrigens: Welche Würde meint der Präsident da überhaupt? Vielleicht die seiner Kölner Genossen, die würdevoll Schmiergeld kassiert haben und es anschließend alle nicht gewesen sind. Und natürlich auch nichts gewusst haben.
Besonders bitter ist auch noch, dass der Bundespräsident in seiner Pressemitteilung nicht einmal den Namen unserer Oberbürgermeisterin richtig schreiben kann. Dabei ist Bärbel Dieckmann in Sachen Schmiergeld über jeden Verdacht erhaben.
Aber vielleicht kennt Thierse sie deshalb nicht so gut. Denn über seinen Schreibtisch gehen vorzugsweise die Akten der Spendenganoven aus den großen Parteien. Auf deren Würde er so achtet.
Und in diesen Akten fehlt der Name unserer Oberbürgermeisterin und eines weiteren prominenten Genossen. Ihr Mann Jochen Dieckmann. Und der ist immerhin Justizminister in Nordrhein-Westfalen.
Voller Würde.