By itz
23.08.2004 / Hamburger Abendblatt
Hamburg - Er kann nicht still bleiben. Seit Kris beim Konkurs der belgischen Luftlinie Sabena vor vier Jahren arbeitslos wurde, dreht er Runden durch sein Haus - auf dem Bühnenboden von Kampnagel.
In "sabenation" spielt "Rimini Protokoll" mit Symbolen für die erzählte Realität. Der Bankrott der belgischen Fluglinie Sabena 2001 machte 12 000 Angestellte arbeitslos. So schlagartig wie der Fall von etwa so vielen Tennisbällen aus dem Bühnenhimmel. Dem tausendfachen Ping folgt eine große Stille. Wie nach einem Flugzeugunglück. Und wieder wird den sechs ehemaligen Sabena-Angestellten der sichere Boden entzogen; wieder kommt der Schock über den Bruch in ihrem Leben, in ihrer Identität.
Das Regie/Autoren-Trio Helgard Haug/Stefan Kaegi/Daniel Wetzel arbeitet nicht mit Schauspielern, sondern mit Arbeitslosen aus der Sabena-Pleite. Es collagiert akribisch recherchierte, humorvoll und poetisch montierte Versatzstücke aus den Biografien der Betroffenen mit Faktenmaterial und historischen Bezügen.
Über die Einzelschicksale hinaus hebt das mühelos in die Höhen des Allgemeinen ab, ohne je im Sozialkitsch bauchzulanden.
Vielmehr neutralisiert eine feine Ironie die Betroffenheit. Jean hat einen neuen Job: Am Förderband kontrolliert er die Verpackung von Anti-Depressiva. Dreimal am Tag, empfiehlt er allen Arbeitslosen.
Und der Pilot, dem beim Konkurs noch drei Monate zur Fluglizenz gefehlt haben, lässt einen Kunststoff-Flieger starten und eine letzte Runde drehen. -itz
erschienen am 23. August 2004 in Kultur / Medien