By mh
14.12.2008 / Berliner Morgenpost
Miriam Yung Min Stein ist eines von Hunderttausenden Mädchen, die in Südkorea zur Adoptionfreigegeben wurden. 1977 fand man sie angeblich in einem Pappkarton vor dem Rathaus derStadt Daegu, aber das - so erfährt es der Zuschauer im Laufe des Theaterstücks "Black Tie" im HAU 3 - könnte auch eine Legende sein. Denn weil der kommunistische Bruderstaat Nordkorea Südkorea vor der UN wegen Kinderhandelsangeklagt hatte, erlaubte der Süden nur noch, Babys mit ungeklärter Herkunft ins Ausland zu vermitteln. Deshalb wurde möglicherweise sogar ein Baby, dessen Eltern bekannt waren, zum anonymen Findelkind erklärt.
Miriam Stein spielt sich selbst in der neuen Produktion von Rimini Protokoll. Sie steht auf der Bühne und erzählt von ihrer Kindheit in Osnabrück, ihrer Flucht nach London und ihrer Wurzelsuche in Korea. Dafür braucht sie nur einen Videobeamer, den Musiker Peter Dick und die Hilfe von Hye-Jin Choi, die erst als Erwachsene zum Studieren nach Deutschland kam.
Die Peinlichkeit, die sich schnell einstellen kann, wenn naive Menschen auf diese Art verwurstet werden, fehlt bei "Black Tie". Dafür ist Miriam Stein, eine Video- und Werbeclip-Regisseurin und Drehbuchautorin, viel zu reflektiert und zu sehr mit dem Medium vertraut. Sie und die Rimini-Regisseure Haug/Wetzel verlassen sich ganz auf die Kraft ihrer Lebensgeschichte. Der Inszenierungsaufwand ist eher niedrig. Die Produktion bestätigt die Binsenweisheit, dass jeder Mensch eine interessante Geschichte hat. Die von Miriam Stein ist allerdings ein bisschen interessanter als andere.