By Peter Hans Göpfert
07.01.2008 / Berliner Morgenpost
Soviel Glotze war nie: die Bühne des HAU 2 gleicht einer Apparat-Präsentation auf der Internationalen Funkausstellung. Die Fernseher stapeln sich wie Baumkuchen. Kabel an allen Ecken und Enden. Satellitensuperschüssel auf dem Dach.
"Rimini Protokoll", das Spezialistenteam fürs halb-dokumentarische "Theater" ist wieder mal am Halleschen Ufer. Diesmal rücken seine Spezis Helgard Haug & Daniel Wetzel dem internationalen TV-Nachrichtenbetrieb auf den Pelz. Wie werden die allabendlichen News in
den verschiedensten Ländern, in Demokratien und Diktaturen, ausgesucht, präsentiert und kommentiert? Gibt es überhaupt so etwas wie Objektivität?
Auf der Szene des Reality-Theaters stehen natürlich keine Schauspieler, sondern "Breaking Experts" und "News People". Das sind TV- und Zeitungsjournalisten, Medienkritiker, Nachrichtenredakteure, Dolmetscher, Korrespondenten, eine Nachrichtencutterin. Bevor der
Blick auf die vielen Monitore freigegeben wird, präsentieren sich die Mitwirkenden vor einem Foto-Paravent, der das mit Satellitenschüsseln gespickte Balkonraster der Wohnburg an der Pallasstraße zeigt. Und schau an: gleich mehrere Teilnehmer wohnen in dieser Überbauung des ehemaligen Sportpalastes Wand an Wand.
Punkt Acht beginnt nicht nur die deutsche Tagesschau. Ein News-Broker von Agence France Press ruft die (teils eingefrorenen) News über die einzelnen "Spieler" von den Bildschirmen ab. Unruhen in Kenia, Wahl in Georgien, Müll in Neapel. In Russland wird vermeldet, wie fabelhaft Präsident Putin Ski fährt. Assad, in Syrien, eröffnet ein großartiges Wasserprojekt. Frau Merkel erklärt ihrer Partei, dass man "Nägel mit Köpfen" machen und nichts "auf die lange Bank" schieben" sollte. Djengizkhan Hasso, Dolmetscher und kürzlich von George W. Bush empfangener Präsident des Exekutivkomitees des kurdischen Nationalkongresses, erklärt, welche vorzugsweise arabischsprachigen Sender, beispielsweise, im Irak zu empfangen sind, von
Aljazeera bis zum Pentagon Channel. Die bewundernswert sprachbegabte Inderin Sushila
Sharma-Haque (sie unterrichtet Hindi im Auswärtigen Amt) erläutert die aktuellen News pakistanischer und indischer Sender. Der deutsche Medienkritiker, Tagesschau- und Christiansen-Experte Walter van Rossum stellt sich buchstäblich Kopf, um einen
grundlegenden Perspektivwechsel für das deutsche Nachrichtenwesen einzufordern. "Breaking News - Ein Tagesschauspiel" ist ungemein unterhaltsam, manchmal auch überraschend witzig. Jeden Abend, je nach Nachrichtenlage, wird sich die "Aufführung" verändern. Und man kann nur hoffen, dass den Mitwirkenden im Laufe der Monate auf ihrem Zug durch die kooperierenden Schauspiel-Stationen, Düsseldorf, Frankfurt, Hannover und Wiener Festwochen, nicht ihr sympathischer Mitteilungsdrang verloren geht.
Denn bei aller Kurzweiligkeit gehört dieser technisch aufwendige Abend doch zu den schwächeren Unternehmungen des rastlos recherchierenden und präsentierenden "Rimini"-Teams. Streckenweise meint man, der amüsanten Freizeitbeschäftigung einer Journalisten- und Übersetzerspielschar an einer Volkshochschule zuzusehen.
Die versprochene Analyse der Nachrichtenvermittlung, die Untersuchung von Fiktion und Realität des Newswesens, die Prüfung der verschwimmenden Grenzen bei der Wahrnehmung einer vermittelten Realität - all dies bleibt die Inszenierung, von ein paar
spontanen Lichtblicken und unverhofften Pointen abgesehen, doch schuldig. Aber der kritische ARD- und ZDF-Kunde wird auch "Rimini" durchschauen und seinen Spaß an der Sache haben.
HAU 2 . Hallesches Ufer 32, Kreuzberg.
Tel.: 259 00 427. 8.-10., 12. Januar,
jeweils 19.30 Uhr.
Breaking News
Bewertung 3
Aus der Berliner Morgenpost vom 7. Januar 2008