Schießen mit Haug/Kaegi/Wetzel

Heute Premiere im Mousonturm

By EVA-MARIA MAGEL

07.02.2002 / Frankfurter Rundschau

Daß den meisten außenstehenden Leuten bei „Schweiz“ auch immer irgendwie das Wort „Waffen“ einfällt, ist nicht das einzige, was das Projekt „Shooting Bourbaki“ verändern wird, wenn die fünf Schweizer Jugendlichen es heute abend zum ersten Mal dem Frankfurter Publikum zeigen. Helgard Haug, Stefan Kaegi und Daniel Wetzel, die im November 2000 im Mousonturm das Publikum mit „Kreuzworträtsel Boxenstopp“ begeisterten, sind im Rahmen der Reihe „plateaux – Plattform junger Theaterregie“ in den Turm zurückgekehrt.
Wieder haben sie sich, als eine Art „Ready-mades“, Darsteller gesucht, die nicht aus dem Theaterbetrieb kommen. Waren es bei „Kreuzworträtsel Boxenstopp“ einige alte Damen aus dem Altenwohnstift neben dem Mousonturm, sind es diesmal Jugendliche aus Luzern. Verteidigung und Angriff, die Waffe als Waffe und Rollenspiele der Jugendlichen sind das Material, aus dem das Projekt entstand. Vor zwei Wochen wurde es in der Studiobühne des Luzerner Theaters uraufgeführt, einem Theater, das ein ehemaliger Schießstand ist und in direkter Nachbarschaft eines solchen liegt. „Dadurch, daß es so hochgradig ortsspezifisch ist, wird ‚Shooting Bourbaki’ in Frankfurt anders sein“, sagt Stefan Kaegi.
Mit der Auswahl der zwischen 13 und 15 Jahre alten Jungen sei schon eine Grundsatzentscheidung für das Stück getroffen worden, ihre Erfahrungen und die gemeinsamen Recherchen zum Thema ergeben ein Ganzes: „Es geht zwar auch um das Schießen, einerseits, aber immer gebrochen oder gespiegelt durch die Jungs“, so Wetzel. Diese Arbeit mit „wirklichen“ Darstellern ist laut Kaegi „ein zentraler Punkt der Arbeitsweise in unserer Dreierkonstellation“. So war schon „Kreuzworträtsel Boxenstopp“ ein subtiles Wechselspiel von Realität und Fiktion.
Große Teile von „Shooting Bourbaki“ entstanden dokumentarisch, außerhalb des Probenraums, etwa in einem Schießstand. Daß trotz einer Zeit- und Medienmixtur das Projekt Theater sei, steht für die drei Absolventen des Gießener Instituts für angewandte Theaterwissenschaft fest: „Es ist heute wichtig zu sehen, daß man Theater als ein Medium benützen kann, das etwas zu berichten hat über die Welt“, so Wetzel. Dabei gehe es nicht nur um geschriebene, von Schauspielern nachgestellte Szenen, sondern darum, konkrete Geschichten, Menschen, Erlebnisse „journalistisch“ auf der Bühne, und mit den Mitteln des Theaters wiedergeben zu können. Haug/Kaegi/Wetzel beharren nicht auf der Authentizität der Ereignisse. Es komme darauf an, den Zuschauer dazu zu verleiten, über Dinge, die wahr sein könnten, nachzudenken: „Es ist nicht die erste Absicht, das zu tun, was man immer über die Avantarde-Theater der neunziger Jahre gesagt hat, also Wahrnehmungsgrenzen oder die Rolle des Zuschauers oder des Theaters neu zu definieren – das mag auch ein Randeffekt sein. Der Zuschauer erfährt in erster Linie etwas über Dinge, die es außerhalb gibt.“ („Shooting Bourbaki“ wird es von heute an bis zum 9. Februar und vom 14. bis 16. Februar jeweils um 21 Uhr in der Studiobühne gezeigt.)


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Shooting Bourbaki