By Dominik Spirgi
26.05.2006 / Basler Zeitung
Das Multimediaprojekt von Stefan Kaegi führt in eine Modellschweiz, wo Idealvorstellungen und ernüchternde Realitäten aufeinanderprallen.
«Import» enttäuscht. «Import» heisst das Huhn, das eigentlich ein Ei legen sollte, was es aber bis zum Schluss dieses merkwürdigen Theaterabends nicht tut. «Import» ist zu schläfrig, hat sich vielleicht aus Hemmungen vor den vielen Zuschauerinnen und Zuschauern in eine Art Phlegma-Zustand geflüchtet - ganz im Gegensatz zum Premierenpublikum, das nach eindreiviertel Stunden keineswegs zu müde war, kräftig zu applaudieren.
Dieses Publikum hat etwas Ausgefallenes erlebt: einen Abend, der anders ist, als was man sonst so auf dem Theater erlebt. Das Theater Basel präsentiert das wunderbar-skurrile Miniatur-Realitätenkabinett des Solothurner Theater-Forschers Stefan Kaegi. «Mnemopark» ist ein Multimediaprojekt im besten Sinne, das viele der bisher erlebten Versuche medialer Grenzüberschreitungen auf dem Theater in den Schatten stellt.
Fleischberg. Die Szenerie ist eine Modelleisenbahnlandschaft im Massstab 1:87 - dahinter eine Leinwand, auf der sich die per Minikamera aufgezeichneten Zugfahrten life mitverfolgen lassen. 37 Meter Gleis führen durch Berg-und-Tal-Landschaften, wo Miniaturkühe weiden und sich knapp zwei Zentimeter kleine Minimenschen tummeln: Nachbauten real existierender Landschaften, die meistens zu einer traditionalistischen Idealisierung tendieren.
Die Landschaft im Foyer nun hat auch einige irritierende Module: ein Fleischberg zum Beispiel, aus dem ein Milchbach entspringt. Geschaffen wurde diese Welt von den Modulbau-Freunden Basel - vier von ihnen sind anwesend und emsig damit beschäftigt, der Modellwelt theatralisches Leben einzuhauchen: Max Kurrus (baut vor allem Landschaften aus Graubünden), Hermann Löhle (bevorzugt schwäbisches Land), René Mühlethaler (früher Amerika, heute Berner Oberland und Wallis) sowie Hedy Louise Ludewig (baut sich ihre eigene Welt). Ihnen zur Seite stehen die Bauerntochter und Schauspielerin Rahel Hubacher sowie der Multimedia-Mixer und Geräuschemacher Niki Neecke.
Sie erzählen und spielen ihre eigene, zum Teil in die Modelle eingearbeitete Geschichte: etwa Rahel Hubacher, die auf einem Bauernhof aufgewachsen ist. Dieser Hof ist als Nachbau zu bestaunen: ein schöner und typischer Emmentaler Riegelbau. Aber wie so oft täuscht der Schein: da wo in Hubachers Erinnerung noch Kühe gemolken wurden, stehen heute Mietlastwagen und Bagger - nicht nur Eisenbahnmodelle richten sich nach Idealvorstellungen, auch die Landwirtschaftspolitik tut es. Kaegis «Mnemopark» konfrontiert auf hintergründig witzige Weise die Wunsch- und Erinnerungswelten von Normal-Schweizern mit der hypersachlichen Gegenwelt der Statistik und der absurd überhöhten Traumwelt einer indischen Bollywood-Produktion.
hintergründig. Verstärkt wird der Eindruck der Gegensätzlichkeit durch das Gegenüber von faszinierenden, multimedialen Spezialeffekten mit den rührend-komischen Auftritten der Laien-Selbstdarsteller. Aber weder Technik, noch das Spiel können es mit der Faszination aufnehmen, die von der Modell-Landschaft ausgeht, die nicht wenige Zuschauerinnen und Zuschauer noch einige Zeit nach dem Schlussapplaus in den Bann zog. Bleibt die Frage, ob das letztlich abendfüllend sein kann. Es kann.