By Katrin Pauly
22.03.2019 / morgenpost.de
Opa war ein Revolutionär: Als Fidel Castro mit seinen Guerilleros im November 1956 von Mexiko aus auf der Motoryacht namens „Granma“ nach Kuba übersetzte, um das Batista-Regime zu stürzen, war nicht nur Ernesto „Che“ Guevara mit an Bord, sondern auch Daniels Großvater Faustino. Er wurde später auf Kuba erster Minister für Rückgewinnung unterschlagener Güter und damit zuständig für die Enteignung der Eliten.
Im Maxim Gorki Theater zeigt sein Enkel die Fotos: Faustino mit Bart, Faustino mit Fidel. Daniel ist einer der vier Protagonisten, die im Zentrum von Stefan Kaegis Produktion „Granma. Posaunen aus Havanna“ stehen. Kaegi ist Mitglied des Theaterkollektivs Rimini Protokoll, das bevorzugt mit Experten der Wirklichkeit arbeitet, die keine ausgebildeten Schauspieler sind, aber das, was sie auf der Bühne zeigen aus eigener Erfahrung bezeugen können.
Für „Granma“ hat Kaegi 60 Jahre nach der Revolution auf Kuba, die Enkelgeneration befragt. Sie sind alle um die 30 Jahre alt. Neben Daniel, dem Politikerenkel, steht auch die Geschichtsstudentin Milagro auf der Bühne, deren Großmutter Näherin war. Christians Opa zog als Kampfpilot in den Bürgerkrieg nach Angola, und Dianas Großvater spielte im „Orquesta Maravillas de Florida“. Wo die Großeltern noch leben, kommen sie per Videoeinspielung auch selbst zu Wort. Das sind berührende Momente, wenn die Generationen so miteinander ins Gespräch kommen, wenn etwa Dianas Großmutter Teresa ihr mit auf den Weg gibt: „Liebe dein Land über alles. Das ist revolutionär.“
Tatsächlich spürt man diesen Stolz bei allen vieren sehr deutlich. Dass die Schattenseiten des sozialistischen Systems auf Kuba zunächst im Hintergrund bleiben, irritiert etwas. Aber mit dem Fortschreiten der Zeit, es werden hier mit beeindruckender Faktenfülle und persönlichen Anekdoten tatsächlich komplette 60 Jahre kubanischer Geschichte abgehandelt, treten dann doch noch Reibungen und Brüche zutage. Hier wird die Inszenierung richtig stark. Wenn Milagro etwa anhand des auf die Rückwand projizierten Lebensmittelmarkenheftes der Familie die Mangelwirtschaft aufzeigt oder die Immobilienkrise thematisiert wird.
Die Leute bauten damals kurzerhand selbst ihre Häuser, in so genannten Mikrobrigaden, einer kannte sich aus und leitete die anderen an. Nach diesem Vorbild werden die vier auf der Bühne selbst zu so einer Mikrobrigade. Vor einem Jahre spielte, außer der Musikerin Diana, keiner von ihnen Posaune. Jetzt liefern sie wie Profis mit ihren Instrumenten den Sound zum Abend.
Einmal, da singen sie gemeinsam „Adelante cubanos“ – Vorwärts, Kubaner. Aber wohin genau? Das war damals vielleicht sogar klarer als heute. Und deshalb hätte man genau dazu von den vier unglaublich sympathischen Alltagsexperten sehr gerne noch etwas mehr gehört, von den ganz persönlichen Träumen und den Visionen, die diese Generation für die Zukunft ihres Landes hat. Das kommt ein bisschen kurz an diesem ansonsten aber absolut sehenswerten Abend.