By Sandra Kreuer
28.06.2002 / Bonner Generalanzeiger
Nehmen wir einmal einen Halbkreis blauer Plastikstühle, ausreichend beigefarbenen Stoff, um eine Wand zu verkleiden, drei Sitzboxen, eine Deutschlandflagge und einen Bundesadler – und überlegen, was man damit machen kann.
Antwort: Einen stilechten Bundestag konstruieren, wie ihn das „Regiekombinat“ Rimini Protokoll gestern in die Beuler Halle 1 verlegte. Was lange währte – Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hatte die Nutzung des ehemaligen Plenarsaals bekanntlich verboten – wurde gestern bei der Uraufführung von „Deutschland 2“ halbwegs gut. Denn der einzig wahr Aufführungsort ist und bleibt für Helgard Haug, neben Bernd Ernst, Stefan Kaegi und Daniel Wetzel die Vierte im Rimini-Bunde, das historische Wasserwerk. „Ich bezeichne das hier als große öffentliche Probe. Wir probieren weiterhin, das Stück im Bundestag stattfinden zu lassen.“ Weil das aber noch dauern kann, erst einmal zurück zum Stück.
237 „Vertreter von Volksvertretern“ hatten sich gemeldet, um eine Bundestagsdebatte nachzustellen. Von 9 bis 24 Uhr, angefangen mit dem übersichtlichen Thema „Investitionen für eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur – Mobilität für die Zukunft sichern“. Nach dem Prinzip der Simultanübersetzung sprachen die gecasteten Wähler die Reden von Politikern nach. Kurt Bodewig, Klaus Lippold (CDU/CSU), Reinhard Weis (SPD). Und natürlich Friedrich Merz, dargestellt von Stephan Weingarten, der sich seinen Ein-Tages-Job mit den anderen beiden Merz-Akteuren Uwe Kleinemas und Christoph Geis teilen musste.
Da standen sein nun, die meisten im Jackett, manche im T-Shirt am Rednerpult und hatten vor allem mit der Technik zu kämpfen. „Es tut mir Leid. Ich versteh’ nichts. Ich hör das nicht, wenn ich hier reinspreche“, unterbrachen sich die ersten Abgeordneten immer wieder, weil es mit der live-Übertragung per Kopfhörer nicht so recht klappen wollte. Was nicht nur zu Lasten des Ausdrucks der Freizeitpolitiker ging, sondern den Reden auch den Anstrich einer Karrikatur gab, wenn Sätze unvollendet blieben oder mit leeren Worthülsen wie „Hört, hört“ fortgesetzt wurden. Da halfen auch vorher bei Ute Vogt, Vorsitzende des Innenausschusses, eingeholte Tipps nichts mehr: „Sie müssen in der Sache fit sein und wissen, was für Sie die wichtigsten Argumente sind.“ Stephan Weingarten jedenfalls hat jetzt einen „Höllenrespekt“ vor Simultandolmetschern, und Helgard Haug sieht das Stück als Sinnbild dafür, sich seine Stimme wieder zurückzuholen.