By Hilde Haider-Pregler
07.12.2004 / Wiener Zeitung
Mit dem Zustandekommen politischer Inszenierungen beschäftigt sich das Regie-Trio „Rimini Protokoll“ (Helgard Haug, Stefan Kaegi, Daniel Wetzel) in seiner neuen, im Kasino am Schwarzenbergplatz vorgestellten Produktion. In (hochkarätiger) „Originalbesetzung“, wie es die jungen Theatermacher bereits im Vorjahr mit „deadline“ vorexerziert haben.
Mit Sicherheit bedurfte es wohl schon im Vorfeld diplomatischen Geschicks, um die Akteure überhaupt zur Mitarbeit zu gewinnen. Diesmal erscheinen nämlich Angehörige des auswärtigen Dienstes auf der Bühne in jenen Rollen, die sie sonst auf dem politischen Parkett der staatlichen Repräsentation gestalten. Und Diplomaten dürfen Und Diplomaten dürfen sich ja bekanntlich keine Indiskretionen erlauben. Horst Fischer, Sekretär eines Honorarkonsulats, bringt das komplizierte Berufsethos drastisch auf den Punkt: „Viel reden, wenig sagen.“ Dass es für Botschafter und deren Mitarbeiter attraktive und weniger beliebte Destinationen gibt, demonstriert Martin Thelen (Auswärtiges Amt), Nachfahre eines „echten“ Burgschauspielers, mit Hilfe einer Weltkarte.
Theatrale Protokolle
Staatsbesuche, Empfänge und Bankette haben in ihrer Theatralität in der Tat so manche Gemeinsamkeit mit einer Bühneninszenierung. Dramaturgischer Ablauf und Rollen haben sich auch in der politischen Realität an ein genaues „Regiebuch“ – sprich: Protokoll – zu halten. Natürlich muss auch die Ausstattung stimmen: roter Teppcih, gesäumt vom „Jubelkraut“, wie die Spalierbäumchen im internen Jargon heißen, und die passende Beflaggung.
Die Inhaberin der Firma „Fahnen Christl“, die ihre Lagerbestände vorführt und professionell erläutert, erweckt dabei den Eindruck, dass es wohl keinen Staats geben dürfte, dessen Fahne nicht bei ihr zu finden ist. Major Thomas Mader, Referatsleiter in der Rüstungsdirektion des Bundesheeres, trägt Sorge, dass die „Statisten“ der Ehrengarde ihren Auftritt mit Präzision erfüllen. Wie man diffizile Situationen bewältigt, weiß Hofrat Dr. Wilfried Kovárnik, Leiter der Verwaltungs- und Fremdenpolizei, der überdies als Mitglied eines Döbliner Theatervereins sogar Bühnenerfahrung ins Treffen führen kann.
Amüsantes Bühnen-Feature
Von der ebenso reizvollen wie schwierigen Aufgabe, Österreich im Ausland nicht nur politisch zu repräsentieren, sondern auch Verständnis für die österreichische Kultur und Mentalität zu vermitteln, berichtet Dr. Wolfgang Wolte, der, nun schon im Ruhestand, einst als erster Botschafter nach Pekin entsandt wurde. Chinesisch synchronisierte „Sissi“-Filme bestätigen dies nachdrücklich. Mag sein, dass die (modischen) Repräsentationspflichten einer Diplomatengattin weniger befriedigens sind als sie vielleicht scheinen; diesen Eindruck erweckt jedenfalls Brigitte Hörbinger, die sich – nach einem letzten Auftritt in Ascot mit einem exclusiv-exzentrischen – nach 33 Ehejahren für eine neue Existenz entschied.
Fazit: Ein gut und amüsant gebautes Bühnenfeature, das bei diesem Blick hinter die Kulissen schon vom Thema her nur die Oberfläche spiegeln kann, aber dennoch Stoff genug zum Nachdenken liefert. Nicht zuletzt über die alte Frage, ob sich selbst spielende Diplomaten authentischer wirken als von professionellen Schauspielern gespielte.
Hilde Haider-Pregler, Wiener Zeitung, Dienstag 7. Dezember 2004, Kultur S. 14