Die flüsternde Stimme der Globalisierung

SCHAUSPIEL: Rimini Protokoll und Nationaltheater präsentierten Mannheimer Uraufführung "Call Cutta in a Box"

By mav

27.03.2008 / Mannheimer Morgen, Morgenmagazin

Mannheim. 10 000 Kilometer. In Zeiten weltumspannender Kommunikationssysteme eine Distanz, die kaum mehr bedeutet, als einen Mausklick oder den Griff zum Telefon. Jenes wird bereits klingeln, wenn die Besucher bei der Uraufführung von "Call Cutta in a Box" einen Büroraum im Gewerkschaftshaus unweit des Nationaltheaters betreten. Am anderen Ende der Leitung: Der Mitarbeiter eines Callcenters in Kalkutta, Indien. Er könnte sich als "Raman" vorstellen und wird ein Gespräch mit seinem transkontinentalen Gegenüber beginnen. Beide Parteien können sich auf einem Bildschirm sehen. Auf einem Monitor bewegt sich der Mauszeiger selbstständig, ruft Dateien auf: Der Beginn einer Geschichte, in der der Besucher nicht schlicht als Konsument einer Theaterproduktion gelten darf, sondern als Akteur eines individuellen Stückes.

"Call Cutta in a Box - Ein interkontinentales Telefonstück" feiert Premiere am Nationaltheater am Mittwoch, 2. April, und ist nach dem Vorgänger "Call Cutta" (2005) eine "neue Dialogform, die Globalisierung direkt von ihrer Kehrseite her ins Ohr des Endverbrauchers zurückflüstert", so die Initiatoren, das Regie-Kollektiv Rimini Protokoll. Die Besonderheit des Werkes "ist eigentlich diejenige des individuellen Gesprächs zwischen zwei
Menschen. Insofern ist dieses Stück eigentlich Unterhaltungstheater", so Daniel Wetzel, der mit Helgard Haug und Stefan Kaegi hinter diesem Label steht.

Die Drei gelten als Vorreiter eines neuen "Reality"-Trends in der Theaterlandschaft. Seit 2000 entwickeln sie auf der Bühne und im öffentlichen Raum international vielfach preisgekrönte Produktionen, arbeiten oft mit "Experten der Wirklichkeit", Menschen mit theaterfremden Berufen und Biografien.

"Call Cutta in a Box" wird gleichzeitig in Mannheim, Berlin und Zürich uraufgeführt und (zunächst) in vier weiteren europäischen Städten gezeigt. In der Quadratestadt wird die Produktion vom Rimini Protokoll in Zusammenarbeit mit dem Callcenter Descon Limited in Kalkutta vom Nationaltheater koproduziert. Der ungewöhnlichen Konzeption trägt eine ungewöhnliche Zuschauerpolitik Rechnung: Zwei Büros stehen im Gewerkschaftshaus (Hans-Böckler-Straße) für jeweils einen Besucher pro Vorstellung zur Verfügung. Beginn ist zwischen 14 und 20 Uhr im Stundentakt, Treffpunkt eine Viertelstunde zuvor in der Kassenhalle des Theaters am Goetheplatz. Die Dialogsprache ist Englisch, bei einigen wenigen Terminen (auf Anfrage zu erfahren) werden die Gespräche auch in deutscher Sprache stattfinden. 

Weitere Informationen

"Call Cutta in a Box" tägl. außer mo. 2. bis 30. April. Kartentelefon
0621/1 68 01 50.


Projects

Call Cutta in a Box