By Gabriela Frischknecht
01.04.2006 / Zürcher Oberländer
«Ehemalige Kantonsrätin mit Organspenderausweis sucht online einen Partner»: Crista D. Weisshaupt aus Uster spielt in einer Theaterproduktion im Zürcher Schiffbau sich selber.
Das Inserat war klein und unverdächtig. Gesucht waren Singles, die bereit waren über ihre Erfahrungen bei der Partnersuche im Internet zu berichten. Und als sie sich darauf meldete, hätte die Ustermerin Crista D. Weisshaupt nie auch nur im Traum daran gedacht, dass es sie auf direktem Weg auf die Bühne des Zürcher Schauspielhauses Schiffbau katapultieren würde.
Crista D. Weisshaupt lacht, wenn sie daran zurückdenkt: «Nach fünf Jahren Singledasein hat man schon einiges zu erzählen.» Doch den Regisseuren von «Blaiberg und Sweetheart19», Helgard Haug, Stefan Kaegi und Daniel Wetzel, bekannt unter dem Label «Rimini-Protokoll», gefielen nicht nur Weisshaupts Erfahrungen mit der Partnersuche im Internet. Dass die 51-Jährige seit Jahrzehnten einen Organspenderausweis besitzt und der tragische Suizid ihres Sohnes Benjamin 1997 passten ideal ins Konzept.
Theater mit «echten» Darstellern
Haug, Kaegi und Wetzel machen dokumentarisches Theater. Die Darsteller sind «echte» Menschen, die auf der Bühne ihre eigenen Lebensgeschichten konstruieren. Ihre neue Produktion «Blaiberg und Sweetheart19» befasst sich mit dem Herzen: Zwischen Speedflirting und Herztransplantationen wird alles möglich. Zu Beginn der Proben stand kein Skript fest. «Wir haben hunderttausend Szenen ausprobiert und wieder verworfen oder neu aneinander gereiht und weiterentwickelt», erzählt Crista D. Weisshaupt.
Ein emotionaler Kraftakt
So auch jene, erst im Laufe der Proben in die Produktion aufgenommene Szene, in der sie vom Selbstmord ihres Sohnes erzählt. Zuerst war sie dabei ganz allein auf der Bühne. In der fertigen Produktion nun steht sie neben der Kardiotechnikerin Renate Behr auf einer Treppe, um sich setzen zu können, wenn es ihr zu viel würde. Mit Benjamins Wunsch zu sterben, weil er sich nicht zu dieser Welt gehörig fühlte, hat sie sich intensiv auseinander gesetzt; nicht zuletzt auch durch den 2000 gedrehten Dokumentarfilm «Benis letzte Fahrt» von Stascha Bader und Anne Rüffer. «Auf der Bühne darüber zu sprechen ist für mich trotzdem ein emotionaler Kraftakt», sagt Crista D. Weisshaupt.
Gelegenheiten beim Schopf packen
Dennoch macht ihr die Produktion Spass, obwohl sie keinerlei Erfahrungen auf Theaterbühnen hat und auch nicht daran denkt, weiter Theater zu spielen. «Ich sehe mich nicht auf der Bühne stehen und Shakespeare rezitieren», meint Crista D. Weisshaupt. Die Gelegenheit, einmal hinter die Kulissen zu blicken, geniesst sie aber sehr. Das Regieteam am Schiffbau beschreibt sie als «geniale Leute, die mit beiden Beinen im Leben stehen».
Dass sie die Gelegenheit, Theater zu machen, beim Schopf packte, passe zu ihr, erklärt Weisshaupt. Genauso spontan kam sie 1991 als SP-Vertreterin in den Ustermer Gemeinderat und ergatterte nur ein Jahr später für ihre Partei einen neuen Sitz im Kantonsrat, den sie bis 1999 innehatte. «Wenn sich etwas Spannendes ergibt, dann greife ich eben mit beiden Händen zu!»