By Susanne Staerck
14.03.2002 / Kölner Stadt-Anzeiger
Nein. Das darf nicht sein. Da steht „die Würde“ auf dem Spiel, „das Ansehen“ des hohen Hauses. Theater im Plenarsaal? Nein. – Gedankensplitter eines Hausherrn. So ähnlich mag das gewesen sein, was Bundestagspräsident Wolfgang Thierse dachte, bevor er der Bonner Oberbürgermeisterin schrieb, er wolle kein „Theater der Welt“ in den ehemaligen Bundestag lassen. Da hatte Matthias Lilienthal, Programmdirektor des Festivals „Theater der Welt“, zwar schon längst einen Mietvertrag für den 27. Juni in der Tasche. Doch der Bundestagspräsident hat in dieser Sache das letzte Wort.
Und es scheint, als wolle er dazu auch nichts weiter sagen. Keine Antwort, keine Frage, kein Interesse in Richtung Köln, wo das Festival „Theater der Welt“ derzeit entsteht – bis es Ende Juni hier und in Bonn, Düsseldorf und Duisburg zu erleben wird.
Kein Gespräch über das, worum es bei jenem Theaterprojekt gehen soll. Weder mit Lilienthal noch mit dem vierköpfigen Regieteam names „Rimini Protokoll“. Berlin blockt ab.
In Köln sucht man dennoch weiter den Dialog: „Wir hoffen, das Projekt einmal vorstellen zu können“, sagt Regisseur Daniel Wetzel. Das Projekt heißt „Deutschland 2 – Berlin Back Up“ und ist ein Experiment mit der Repräsentation. Am 27. Juni soll eine Bundestagsdebatte aus dem Berliner Reichstag in den ehemaligen Plenarsaal live übertragen und dort von Bonner Bürgern nachgestellt werden. Eine double-Debatte sozusagen. Knapp hundert Interessenten haben sich bereits gemeldet; heute Abend wird das nächste Casting sein. „Wir arbeiten auf jeden Fall weiter“, versichert Wetzel. Resigniert wird Thierses Absage nicht, im Gegenteil: „Für mich ist das inspirierend. Es bringt neue Kurven rein“, meint Stefan Kaegi. Den „theatralischen Gestus“, mit dem Thierse sein Nein verkünde, findet er interessant. Lilienthal spricht von Zensur.
Dann hängt der Programmchef sich wieder ans Telefon. Und man denkt an Christo und Jeanne-Claude und deren „verdammt langen Atem“. Denn bis die beiden den Reichtag verhüllen durften, gingen Jahre ins Land.
Kölner Stadt-Anzeiger
14.03.2002