By Bonner Rundschau
13.03.2002 / Bonner Rundschau
Theaterprojekt: Thierse sieht Würde des Bundestages verletzt
Bürger dürfen Volksvertreter im Plenarsaal nicht vertreten
cgt Bonn. Bislang wurde Herr Thierse ganz gerne genommen. Viele der 250 Bonner, die bislang für das Theaterprojekt "Deutschland 2" gecastet wurden, wollten Wolfgang Thierse sein. Wollten einmal ausprobieren, wie es ist, als Bundestagspräsident eine Sitzung zu leiten.
Nicht in der echten Bundestagssitzung in Berlin natürlich, sondern in einer um Sekunden zeitversetzt im Bonner Plenarsaal gedoubelten "Bürger-Bundestagssitzung".
Bürgervertreter sollten ihre Volksvertreter vertreten, so die Vorstellung des Regieteams "Rimini Protokoll", das die Uraufführung "Deutschland 2" im Rahmen des Festivals "Theater der Welt" am 27. Juni im Plenarsaal vor 500 Zuschauern geplant hatte (die Rundschau berichtete).
Jetzt ist es ausgerechnet der wegen seiner "Neutralität" bei den Laienschauspielern so beliebte Wolfgang Thierse, der den Theaterleuten einen Strich durch die Rechnung macht: Thierse vertritt die Auffassung, "dass durch den speziellen Programmablauf des Projekts im ehemaligen Plenarsaal das Ansehen und die Würde des Deutschen Bundestages beeinträchtigt werden", heißt es in einem Schreiben an Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann. Dem Theaterprojekt wurde somit von höchster Stelle widersprochen.
"Das zieht uns glatt die Schuhe aus", sagte Matthias Lilienthal, Festivaldirektor von "Theater der Welt". Die Absage sei eine "erschreckende Einschränkung der Kunstfreiheit". Gerade die Idee, Bürger eine Bundestagssitzung nachspielen zu lassen, sei doch eine Werbung für Demokratie, eine Reflexion des demokratischen Prozesses. "Ich habe absolut keine Ahnung, was Herr Thierse wohl meint, wenn er sagt, der Programmablauf würde die Würde des Bundestages beeinträchtigen", so Lilienthal weiter.
Auf Anfrage der Rundschau sagte der Sprecher des Bundestagspräsidenten, Hans Hotter, gestern nur soviel: "Herr Thierse hat das Projekt zu keiner Zeit unterstützt, weil er die Würde des Bundestages beeinträchtigt sieht. Dabei stützt er sich auf Vereinbarungen mit der Stadt Bonn."
Gemeint sind die Verträge zwischen Bonn und dem Bund als Eigentümer des Plenarsaals, in denen festgelegt ist, dass der Bundestagspräsident Veranstaltungen widersprechen kann, wenn diese der Würde des Hauses nicht gerecht werden. "Die Bewertung liegt beim Bundestag", hieß es gestern seitens der Stadt. Und man respektiere die Entscheidung. Erst ein einziges Mal hatte es bislang einen Einspruch gegen eine geplante Veranstaltung gegeben: das war, als die Post AG in der Lobby des Bundeshauses dressierte Pinguine auftreten lassen wollte.
Die Theatermacher kündigten an, per Beschwerdebrief um ihr Projekt zu kämpfen: "Der Bundestag gehört den Bürgern. Deutschland 2 wird stattfinden!"