Zweimal Akrobatik, einmal Dokumentartheater bei den Perspectives am Wochenende

Von Silvia Buss

26.05.2014 / Saarbrücker Zeitung

[...] „Qualitätskontrolle“ – mit Bravour bestanden, lässt sich dagegen vom gleichnamigen Stück der Dokumentartheater-Truppe Rimini Protokoll in der Osthalle sagen. Eine 39-jährige Frau im Rollstuhl ist die zentrale Protagonistin auf der Bühne. Vom Heute her schilderte sie ihr Leben, dass sie nach dem Abi durch einen Schwimmbad-Unfall mit Genickbruch zum „Kopfmenschen“ machte, der „wie eine Pflanze“ auf dem Fensterbrett ständig von Pflegern umsorgt werden muss. Völlig unsentimental erzählt sie das alles, ernst humorvoll, selbstbewusst. Ihr „Hier-bin-ich“ nimmt jede Befangenheit.

Von wegen abhängig von Pflegern: „Ich leite sie an.“ Gekonnt schnurrt sie mit ihrem Rollstuhl im leeren Schwimmbadbecken herum, um mit dem Pfleger inklusiven Fußball oder Schiffeversenken zu spielen oder am Computer Gedichte zu tippen und beweist mit allen Fasern: Sie lebt und das verdammt gern. Sagt etwa: „Ich habe die Ethikkommission überlebt.“ Die stritt nach dem Unfall, ob man nicht besser die Maschinen abstellen soll. Sie oder ihre geistig behinderte Schwester, die vor Glück immer jauchzt – hätten sie in der Nazizeit überlebt? Auch davon erzählt sie, schlägt den Bogen zur Prägnataldiagnostik heute, die Schwangere bei „Defekten“ meist zum Abbruch bewegt. Damit will Rimini Protokoll offensichtlich dem Einzelfall eine größere Dimension geben. Wäre vielleicht gar nicht nötig gewesen, denn Marie-Christine Hallwachs berührt und erhellt uns allein durch sich selbst.


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