Zetsche schwört Anleger auf düstere Zeiten ein

Von Harry Pretzlaff

08.04.2009 / Stuttgarter Zeitung online

Berlin - Der Verfall des Aktienkurses verstimmt die Daimler-Aktionäre. Auch der Einstieg des neuen Großaktionärs Abu Dhabi zum Schnäppchenpreis stieß auf der Hauptversammlung in Berlin auf Kritik. Dennoch vertrauen die Anteilseigner überwiegend darauf, dass Vorstandschef Dieter Zetsche den Stuttgarter Automobilhersteller aus der Krise steuern kann.

Aufsichtsratschef Manfred Bischoff wollte gleich zu Beginn der Hauptversammlung einige Verhaltensregeln klarstellen. "Dies ist weder ein Schauspiel noch ein Theaterstück", stellte Bischoff klar, was auch ein Wink mit dem Zaunpfahl an die Theatergruppe "Rimini Protokoll" gewesen sein dürfte, die angekündigt hatte, die Hauptversammlung als Bühne für eine Performance nutzen zu wollen.

Zetsche musste seine Rede zweimal unterbrechen

Er werde als Leiter der Versammlung Beleidigungen und Verunglimpfungen nicht hinnehmen, so Bischoff. "Ich werde Störungen nicht dulden", drohte der Aufsichtsratschef damit, allzu hitzige Kritiker aus dem Saal entfernen zu lassen. "Lassen Sie uns hart in der Sache, aber fair im Stil diskutieren", warb Bischoff und erhielt dafür Beifall von den rund 5700 Teilnehmern des Aktionärstreffens im Berliner Kongresszentrum.

Dennoch drohte die Hauptversammlung schon in der ersten Stunde aus dem Ruder zu laufen, weil ein Zwischenrufer, der nicht zur Theatergruppe gehörte, sich immer wieder mit Kritik lautstark zu Wort meldete, als Vorstandschef Dieter Zetsche zu erläutern versuchte, wie Daimler aus der Krise kommen soll. Zwei Mal sogar musste der Vorstandschef deshalb seine Rede unterbrechen - was es in Daimler-Hauptversammlungen selbst in turbulenten Zeiten noch nie gegeben hat.

Beim zweiten Mal hatte er sichtlich Mühe, den Faden wieder aufzunehmen. Doch erhielt der Vorstandsvorsitzende unverhofft Rückenstärkung von den anderen Zuhörern. "Raus!, raus!", wurde Bischoff aufgefordert, den Störenfried des Saals zu verweisen. Doch so weit kam es dann doch nicht.

Viele bittere Pillen

Es war kein leichter Auftritt für Zetsche, der vor einigen Jahren von den Aktionären mit viel Vorschusslorbeeren als neuer Daimler-Chef empfangen worden war und nun den Anteilseignern in seiner Rede einige bittere Pillen verabreichen musste. Etwa als er berichtete, dass der Aktienkurs im Verlauf des vergangenen Jahres etwa 60 Prozent seines Werts eingebüßt habe. "Auch zurzeit notiert das Papier auf einem im historischen Vergleich äußerst niedrigen Niveau. Diese Entwicklung ist für uns alle in höchstem Maße unbefriedigend", räumte Zetsche ein.

Den Ausblick für das laufende Jahr malte Zetsche trotz rosa Krawatte in sehr düsteren Farben: "Das erste Quartal wird deutlich negativ", bereitete der Vorstandsvorsitzende auf hohe Verluste des Konzerns vor. Im weiteren Jahresverlauf rechne er indes mit einer schrittweisen Verbesserung der Ertragslage, wenn die zu hohen Fahrzeugbestände abgebaut seien und die neue E-Klasse zusätzlichen Schwung bringe.

"Im Nachhinein würden wir uns wünschen, wir hätten Mitte letzten Jahres sogar noch früher gebremst", räumte Zetsche ein und rechtfertigte das harte Sparprogramm, über das jetzt mit dem Betriebsrat verhandelt wird. Dies werde für die Belegschaft erhebliche Abstriche bringen, sagte der Daimler-Chef voraus. Er wollte nicht einmal ausschließen, dass auch die Beschäftigungssicherung gefährdet sein könnte, die eigentlich bis Ende 2011 Entlassungen verbietet. "Wenn die Krisendynamik anhält, können wir im äußersten Fall auch Entlassungen nicht ausschließen", so Zetsche.

Folgt man dem Vorstandsvorsitzenden, so geht es bei dem Krisenmanagement um nicht weniger als um die Sicherung der Existenz von Daimler. "Wir werden nicht zulassen, dass unser Unternehmen gefährdet wird, dessen Marken und Produkte weltweit als Aushängeschild der deutschen Industrie gelten," sagte Zetsche.

Beifall gab es trotzdem reichlich

Trotz dieser düsteren Perspektiven erhielt der Daimler-Chef reichlich Beifall nach seiner Rede. Auch in der Aussprache gab es zwar Kritik an einzelnen Punkten wie dem abgestürzten Aktienkurs oder der gekürzten Dividende, gleichwohl trauen die Anteilseigner Zetsche offenbar zu, dass er Daimler aus der Krise steuern kann. Grundsätzliche Zustimmung fand ebenfalls, dass Abu Dhabi vor kurzem mit 9,1 Prozent als neuer Großaktionär eingestiegen ist. Kritik übten Aktionäre jedoch an den Konditionen.

Im vergangenen Jahr habe Daimler eigene Aktien im Rahmen eines Rückkaufprogramms noch für 50 Euro erworben, nun werde das Kapital aufgestockt und erhalte Abu Dhabi neue Aktien für weniger als den halben Preis, monierte etwa Ingo Speich, der Fondsmanager bei Union Investment ist. Dabei habe das Emirat einen Abschlag gegenüber dem maßgeblichen Schlusskurs erhalten, der etwas üppig ausgefallen sei.

Der Fondsmanager bemängelte wie eine ganze Reihe anderer Redner auch, dass Daimler im Wettbewerb mit BMW um grüne Technik zurückgefallen sei. Die Autos von Mercedes-Benz hätten den schlechtesten CO2-Ausstoß aller Premiummarken, monierte Speich. Zetsche habe in seiner bisherigen Zeit an der Spitze des Konzerns, einige richtige Entscheidungen getroffen, so der Fondsmanager mit Hinweis auf den weitgehenden Ausstieg bei Chrysler quasi in letzter Minute vor dem Ausbruch der Finanzkrise. Doch in letzter Zeit habe er eine rasche Reaktion auf die Krise vermisst, urteilte der Fondsmanager und fragte, ob dies auch damit zu tun haben könnte, dass Zetsche sowohl Konzernchef als auch Chef der Pkw-Sparte von Mercedes-Benz sei. "Diese Doppelrolle ist riskant", meinte Speich.

Aufsichtsratschef Bischoff wies den Eindruck zurück, dass Zetsche in der Doppelrolle überlastet sein könnte. Quasi als Beweis führte er die bereits durchgeführten Sanierungsprogramme in der Pkw-Sparte von Mercedes-Benz an. Es sei von großem Vorteil, wenn der Vorstandsvorsitzende direkt ins Geschäft der größten Sparte einbezogen sei.

Zetsche widersprach dem Vorwurf, dass BMW die Marke mit dem Stern bei der Umwelttechnik abgehängt habe. Zwar hätten Wettbewerber möglicherweise in einzelnen Segmenten vorübergehend verbrauchsgünstigere Fahrzeuge. Doch mit neuen Modellen werde Mercedes-Benz auch hier die Spitzenposition erreichen. "Wir sind überzeugt davon, dass wir in eine führende Position kommen werden, und zwar schnell", versicherte der Daimler-Chef und wies zudem darauf hin, dass die Marke mit dem Stern als erster Europäer einen Wagen mit Hybridantrieb auf den Markt bringen werde.


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