Von Anke Dürr
28.01.2008 / DER SPIEGEL
Manchmal kann Durchschnitt ganz schön spannend sein. Zum Beispiel auf der Bühne: Das Berliner Hebbel-Theater feiert mit 100 repräsentativ ausgewählten Berlinern seinen 100. Geburtstag. Und Gesang für alle gibt's auch noch.
Das waren noch Zeiten, als Journalisten davon träumten, Theater-Dramaturgen zu werden – und wenn man sie nicht nahm, bauten sie sich einfach selbst ein Theater. So jedenfalls geht die Gründungslegende des Berliner Hebbel-Theaters, und weil die Eröffnung dieses Jugendstil-Baus in Kreuzberg, gleich gegenüber der SPD-Zentrale, am Dienstag genau 100 Jahre her ist, wird dort ordentlich und ausgiebig gefeiert.
Ein besonderer Feiertag verspricht dabei der Freitag zu werden: Da stellen die Dokumentar-Theatermacher der hier schon oft und immer wieder gern bejubelten Truppe "Rimini Protokoll" ihr neues Projekt im Hebbel-Theater vor (das seit seinem Zusammenschluss mit zwei weiteren Theatern zu einem Kombinat heute "Hebbel am Ufer 1" oder kurz HAU 1 heißt.
Man staunt ja immer wieder, dass den (meistens) drei Rimini-Regisseuren bei ihrem ungeheuren Ausstoß immer noch etwas Neues einfällt, aber es ist so. Diesmal stellen sie 100 Berliner auf die Bühne, die nach statistischen Kriterien so ausgewählt sind, dass sie einen möglichst repräsentativen Querschnitt der Berliner Bevölkerung ergeben, also "100 Prozent Berlin". Anfangs sollte die Auswahl durch eine Kettenreaktion erfolgen – ein Berliner wird ausgesucht, empfiehlt den nächsten und so weiter –, aber inzwischen wurde das Prinzip, wohl aus Zeitmangel, etwas aufgeweicht: Jeder Ausgewählte darf jetzt weitere Berliner vorschlagen, die in das Raster passen. (Zum aktuellen Stand der Dinge: http://www.hundertprozentberlin.de). Was all die Durchschnittsbürger dann auf der Bühne machen, bleibt noch das Geheimnis von "Rimini Protokoll".
Auch was danach kommt, ist nur bedingt zu proben. Sicher ist jedenfalls: Es wird ein großer Spaß. Ab 22.30 Uhr gibt es am Freitag im HAU 1 "Orchesterkaraoke". Das Rias Jugendorchester steht bereit, mutige Sängerinnen und Sänger live zu begleiten, egal ob sie Madonna, Frank Sinatra oder Dschingis Khan singen möchten. Auch wer nie geglaubt hat, dass Karaoke einen mitreißt, wird hier vom Gegenteil überzeugt – zumindest bei der Saisoneröffnung von Kampnagel in Hamburg im vergangenen Herbst war das so. Da sangen schließlich mehrere hundert Leute aus vollen Kehlen "Moskau, Moskau! Wirf die Gläser an die Wand ..." und kamen der vom HAU prophezeiten "Masseneuphorie" ziemlich nahe.