Von Thorsten Casimir
13.03.2002 / Rheinische Post
Ende Juni findet entlang der Rheinstädte Bonn, Köln, Düsseldorf und Duisburg das Festival "Theater der Welt" statt. Gestern gab es in Berlin eine seltsame Voraufführung, nennen wir sie "Theater der Provinz". Darin hat sich Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der sich gern als Freund der Künste in Szene setzt, gegen ein Projekt im alten Bonner Plenarsaal gewandt. Dort wollte der Direktor des Festivals, Matthias Lilienthal, mit 666 Laiendarstellern aus der alten Bundesstadt eine zeitgleich in Berlin geführte Parlamentsdebatte nachspielen. So hatte man es Thierse vor Monaten mitgeteilt und alsbald vom Vorsitzenden des Kunstrates beim Ältesten rat ein "freundlich neutrales Schreiben" (Lilienthal) erhalten, das dem Unternehmen Glück wünschte. Nun aber zeigt Herr Präsident null Toleranz. Ansehen und Würde des Deutschen Bundestages drohten beschädigt zu werden, hieß es. Da sorgt sich ein Ahnungsloser. Denn Lilienthal und die mit dem Projekt betraute Truppe "Rimini Protokolls" führen etwas äußerst Demo kratieverliebtes im Schilde. Sie wollen das Theater der Politik nicht nur verdoppeln, sie wollen es ans Volk zurückgeben: Was passiert, wenn die, die das Volk vertreten, ihrerseits vom Volk vertreten werden, lautet die spannende Frage. Man hat in Bonn längst zu proben begonnen. Mit Menschen, die zum Teil ein persönliches Verhältnis zum alten Plenarsaal haben; darunter Leute, die nahebei wohnen, Fahrer ehemaliger Minister. Bei der Aufführung wären garantiert alle 666 "Abgeordneten" zur Stelle. Ob die Gefahr eines solch würdigen Bildes von Thierse gefürchtet wird? TORSTEN CASIMIR