Von Peter Hans Göpfert
12.05.2004 / Kulturradio am Morgen
Irgendwie gab es gestern Abend Respekt für dieses Projekt, aber eine größere Begeisterung habe ich nicht gespürt. Mag sein, dass das manchen nicht genügend Theater war, zu wenig literarisch, wie auch immer. Ich möchte doch sagen, dass dieses Stück der Gruppe Rimini Protokoll von Thema und Entstehung, von der Art der Inszenierung sehr ungewöhnlich, sehr bemerkenswert ist, für mich das Beste, was ich bisher von Helgard Haug, Stefan Kaegi, Daniel Wetzel gesehen habe.
Wenn ich daran denke, wie vor einer Woche das andere Hamburger Gastspiel, vom Thalia Theater, sich genau hier, ebenfalls im HAU2, auch mit einem englischen Titel, We are Camera, sehr forciert bemühte, nur ja viel Theater zu machen, und wie wenig Essenz dabei heraussprang, dann muss ich doch sagen, dass hier sehr präzise aus Recherchen und mit dokumentarischen Mitteln ohne viel Theater eine nachhaltige Wirkung und beträchtliche Aussagekraft erzielt wurde. Es geht ja nicht um irgendein Thema, es geht um Tod. Die drei Regisseure bringen Laien auf die Bühne, die authentisch etwas mit dem (ich muss es einfach so sagen) Todes-Betrieb und Todesgeschäft zu tun haben. Etwa einen ehemaligen SPD-Bürgermeister, der ein besonderes Krematorium, das Rhein-Taunus-Flammarium, initiiert hat. Einen beruflichen Trauerredner, einen Steinmetzen, eine Präparatorin. Und interessanterweise einen Oberbilleteur vom Wiener Burgtheater (er reißt tatsächlich draußen erstmal die Karten ab), er hat früher als Sargträger gearbeitet und kann etwa sagen, ob die Kränze richtig herum stehen. Alles Spezialisten.
Die fachlichen Auskünfte dieser Männer und Frauen und ihre persönlichen Vorstellungen vom Tode, dazu Film- und Ton-Einblendungen, (ein Mann, der sich für Sterbehilfe einsetzt, Schauspieler, die über Sterben am Theater sprechen, eine Krankenschwester und sogenannte Mortalitätsstatistikerin), - all dies addiert sich mit Bühnenaktionen, etwa dem hektischen Umbau der Dekoration in einer Friedhofskapelle von einer Trauerfeier zur nächsten. Eine Trauermusikerin berichtet über die von ihr zu spielenden Trauerschlager, von Gounod über Cats bis Juhnke. Der Trauerredner durchmisst, indem er in das eigene Familiengrab einfährt, die verschiedenen Erdschichten mit seinen bereits verstorbenen Angehörigen, aber auch absonderlichen Fundstücken. Das ist ready-made, Dokumentation auf der einen Seite. Ganz bewusst werden hier keine religiösen und emotionalen Saiten angeschlagen. Der Ernst des Themas, auch die Angst werden nicht ausgespart. Und dennoch bekommt diese raffiniert mit Requisiten, Licht und Ton, Film und Bildkästen arbeitende Inszenierung einen Stich ins satirisch Makabre. Das ist nicht jedermanns Sache. Irgendwie scheint hier immer Evelyn Waugh hereinzulächeln. Aber es ist die Realität selbst, die den Stoff liefert. Peinlich wird das nie.
Also: kein großer, aber ein lohnender Abend in diesem Theatertreffen. Die Trauermusikerin übrigens ist sich ganz sicher: bei ihrer eigenen Beerdigung wird keine Musik gespielt, kein Bach und Juhnke auch nicht. Und ich fand es doch sehr schön, zu hören, dass es vom "kulturellen Niveau" der jeweiligen Trauernden abhängt, bei welchem Stück sie weinen.