Von sda
/ Zürcher Oberländer
«Eine Offenbarung!», «Darauf hat Avignon gewartet!»: So feierten am Freitag französische Medien das Gastspiel «Mnemopark» des Schweizer Regisseurs Stefan Kaegi und seiner Gruppe Rimini Protokoll am Theaterfestival von Avignon.
Theater neu erfunden
Kaegi habe das dokumentarische Theater (neu) erfunden, schreibt «Le Monde». Er treibe mit «Mnemopark» ein «wunderliches, erheiterndes Spiel» auf mehreren Ebenen, befindet der Kritiker von «Libération»: Er biete ein lethargisches Porträt einer sich wandelnden Schweiz und lote gleichzeitig die theatralischen Möglichkeiten mit den Mitteln der persönlichen Erinnerung und des Live-Filmdrehs aus.
«Mnemopark» ist ein Stück für eine Modelleisenbahn, vier pensionierte Modell-Eisenbähnler und eine Bauerntochter. Letztere - Rahel Hubacher - ist der einzige Schauspielprofi. Die übrigen vier sind «Experten des Alltags» oder «Ready-Made-Darsteller», wie Kaegi sie nennt. Sie erzählen ihre echten Lebensgeschichten, angereichert mit skurrilen Fakten und Zahlen aus der Welt des Schweizer Bauern.
Bonsai-Schweiz
Kulisse ist eine akribisch «wirklichkeitsgetreue» Mini-Schweiz, die von einer Modellok abgefahren und gefilmt wird. Der Film wird auf eine Leinwand projiziert und manchmal verfremdet, indem die vergleichsweise riesigen Schauspieler ins Bild geraten.
Ein Zug ins kitschige Heimatgefühl wird also einerseits hergestellt und andererseits gleich wieder zerstört, etwa durch einen Bollywood-Film, der parallel zur Lebens- und Landschaftsbesichtigung in den Schweizer Alpen gedreht wird. Kaegis Projekt war vor einem Jahr am Theater Basel uraufgeführt und letzten Herbst am 6. Festival Politik im Freien Theater in Berlin ausgezeichnet worden. (sda)