Von Christine Wahl
07.04.2005 / Berliner Tip
Über den Aberwitz von Service-Hotlines zu performen, ist nicht ganz neu. Auf einen so genialen dramatischen Punkt wie die Truppe Rimini-Protokoll hat die Dinge noch niemand gebracht: Vom 15.000 Kilometer entfernten „Infinity-Tower“ aus – einem Callcenter in Nordostkalkutta – werden die Besucher des Rimini-Telefontheaters durch Kreuzberg geführt.
Man bucht einen Termin, bekommt im HAU-2-Café ein Mobiltelefon nebst Kopfhörer und wartet, bis es klingelt. „Sehen Sie die gelben Fahnen links neben dem Hochhaus? Wenden Sie sich bitte an der zweiten Fahnenstange nach rechts, laufen Sie jetzt durch die Glastür und schenken Sie dem Pförtner zu Ihrer Linken ein Lächeln – Sie machen das sehr gut!“ 90 Minuten lang schickt einen die Telefonstimme mit indischem Akzent durch unscheinbare Türen, in Parkhäuser, auf triste Innenhöfe und durch Ladenpassagen, schmeichelt sich unterwegs mit waghalsigen Komplimenten ein, stößt einen auf Details aus der indischen und deutschen Geschichte und motiviert einen für längere Wegstrecken mit Kampfliedern: „Call Cutta“.
Nicht nur, dass man sich in ein sinnliches Lehrstück über moderne Arbeitswelten und in eine betörende Konfusion von Nähe und Distanz verstrickt findet: Den Fußball spielenden türkischen Jungs auf den Hinterhöfen und den Autofahrern im Parkhaus bietet man – lauthals vor sich hin sprechend – unfreiwillig selbst eine Performance mit hohem Unterhaltungswert.