Rimini Protokoll präsentiert Technikspektakel in Berlin

Nachrichten aus aller Welt auf der Bühne

Von Holger Mehlig

06.01.2008 / PR inside

Berlin (AP) In den russischen Nachrichten wird Präsident Wladimir Putin beim Skifahren gezeigt. In Südamerika ist eine neue
Zellulose-Fabrik in Uruguay ein Topthema. Das pakistanische Fernsehen berichtet über das Eintreffen von Scotland-Yard-Mitarbeitern,
die den Mord an Benazir Bhutto aufklären sollen. Die «Tagesschau» macht damit auf, dass bei der Bahn vorerst nicht gestreikt wird.
Diese Live-Nachrichten werden von Journalisten und Dolmetschern zeitgleich präsentiert und kommentiert.
«Breaking News - Ein Tagesschauspiel» heißt das neue Projekt von der Regietruppe Rimini Protokoll, das am Samstag im Berliner
Theater Hebbel am Ufer Premiere feierte. Präsentiert wird eine unüberschaubare Nachrichtenflut. Die neun Akteure erklären, nach
welchen Kriterien diese Nachrichten in den verschiedenen Ländern ausgewählt werden, zeigen, wie unterschiedlich Themen weltweit
gewichtet und präsentiert werden. Das ist spannend zu beobachten. Zumal, wenn das Technikspektakel fast perfekt inszeniert und
choreografiert ist. Die kleinen Pannen wie Bildausfälle sind geradezu notwendig, zeigen sie doch den Live-Charakter der Performance.
Zwtl: Immer eine fröhliche Nachricht
Die Regisseure Helgard Haug und Daniel Wetzel sind bekannt für Dokumentartheater, sie wollen die Realität auf die Bühne holen und
ersetzen Schauspieler häufig durch Laien - ao auch in «Breaking News». Die Journalisten und Dolmetscher aus Indien, Island,
Kurdistan und Deutschland kommen aus dem realen Leben und berichten über ihren Alltag. «Breaking News», was übersetzt so viel
wie «letzte, aktuellste Meldung» bedeutet, wird an jedem Aufführungstag andere Inhalte haben.
Auf den 24 Monitoren flimmern tatsächlich die 20.00-Uhr-Nachrichtensendungen, die gerade in den verschiedenen Ländern laufen. Die
Akteure kommentieren Ausschnitte der Sendungen auf Zuruf. Die sind erst live, später als Aufzeichnungen zu sehen. Das ist gut in
Szene gesetzt. Hinter einem Mischpult steht quasi als Chef des Ganzen ein Redakteur einer Nachrichtenagentur und entscheidet,
welcher der Akteure nun gerade seine Sendung übersetzt und erläutert - oder über sein eigenes Leben erzählt.
Der isländische Mann erklärt, dass in Island Kriege meist nur zur Nachricht werden, wenn Landsleute vor Ort sind. Zudem gibt es am
Ende der Sendung immer eine fröhliche Nachricht. Der Kurde berichtet, dass ein arabischer Sender nie von «Selbstmordattentätern»
spricht, sondern von «Märtyrern». Von Propaganda solcher Art ist er angewidert.
Über allen sitzt - gottähnlich - ein ehemaliger Afrika-Korrespondent und frustrierter Theaterkritiker, der nicht nur über seine
Erfahrungen als Journalist berichtet, sondern auch Texte aus Aischylos «Die Perser» vorträgt. Auch da geht es um Krieg, Tod und
Mord und Liebe - antike Nachrichten eben.
Einen dramaturgischen Tiefpunkt muss die Inszenierung jedoch auch verkraften. Der Kurde berichtet, er sei kürzlich mit einer
Delegation von US-Präsident George W. Bush empfangen worden. Diesen Besuch müssen nun einige der Akteure nachstellen.
Glücklicherweise ist die alberne Szene jedoch nach wenigen Minuten beendet.
Weitere Aufführungen sind am 8., 9., 10. und 12. Januar geplant.


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