Von FD
07.01.2008 / morgenweb
Im russischen Staatsfernsehen zeigt Präsident Putin, wie er gekonnt die Skipisten herunterwedelt. Ein Nachrichtensprecher in Pakistan meldet, dass ein Team von Scotland Yard eingetroffen sei, um den Tod Benazir
Bhuttos zu klären. Al Jazeera feiert die Blutbäder von Selbstmordattentätern als Taten von Märtyrern. In der deutschen Tagesschau betont Bundeskanzlerin Merkel, dass Deutschland die Jugendgewalt von Migranten nicht länger hinnehmen dürfe. Und im Washingtoner "Pentagon Channel"? Da gibt es zurzeit eine Sendung mit fröhlicher Morgengymnastik: So werden wir fit für den nächsten Ernstfall.
"Breaking News - ein Tagesschauspiel" nennt die Gruppe Rimini Protokoll (in Mannheim bekannt durch die Schillertage-Produktion "Wallenstein" von 2005) ihre neueste theatralische Wirklichkeitserkundung. Auf der Bühne des Berliner Hebbel am Ufer stehen über 20 TV-Schirme sowie neun Journalisten und Medienexperten, die in einer zweistündigen Performance versuchen, die
Schwemme der globalen Bilderflut etwas einzudämmen.
Dass die aus den Fernsehstudios auf die Bühne katapultierten Fachleute letztlich nichts anderes schaffen, als die einlaufenden Bilder lediglich zu einem kunterbunten Nachrichtensalat zu verrühren, liegt nicht an ihnen, sondern an der Komplexität des Themas. Und am Theater-Konzept von Rimini Protokoll.
Die oft erfolgreich erprobte Methode, mit Laien-Darstellern Texten wie Schillers "Wallenstein" neue Aspekte abzugewinnen, greift gerade diesmal beim Versuch, Machart, Meinung und Manipulation von Nachrichten zu erklären, zu kurz.
Unter der Regie eines Nachrichtenredakteurs von Agence France Presse erläutern isländische und indische Journalisten, spanische und russische Übersetzer, ein kurdischer Medienexperte und ein deutscher Fernsehkritiker, welche Nachrichten auf den Kanälen laufen. Über dem Ganzen thront Hans Hübner. Der ehemalige Afrika-Korrespondent der ARD schaltet sich
gelegentlich dazwischen, liest aus den "Persern" des Aischylos, formiert die Medienleute zu einem satirisch deformierten griechischen Chor.
Das zeigt zwar, dass große Literatur die Wirklichkeit oft besser durchdringt als kleine Filmschnipsel. Die alten W-Fragen, also wer welche Nachrichten warum, wie und mit welchem Effekt auswählt und versendet, wird dadurch aber auch nicht geklärt. Das Flimmern und Rauschen von Krieg und Katastrophen nimmt kein Ende. Nur wenn die Medienmenschen von den Konferenzschaltungen und
Echtzeitbildern ablassen und etwas über sich selbst erzählen, hat man das Gefühl, es könnte auch ein Leben geben jenseits der Nachrichtenflut, die uns die Welt nicht erklärt, sondern undurchschaubarer macht. FD