Klassiker in die Gegenwart geholt

Theaterprojekt: Wahl Kampf Wallenstein

Von itz

24.05.2008 / Hamburger Abendblatt

Kurz und kritisch kommt im Fernsehen besser als historisch und werkgetreu. Acht Stunden "Wallenstein", wie Regie-Feldherr Peter Stein Friedrich Schillers Trilogie im Zelt nachspielte, sind ebenso zeitraubend wie unzeitgemäß. Für die Koproduktion mit dem Nationaltheater Mannheim bringen Helgard Haug und Daniel Wetzel vom Künstlerkollektiv Rimini Protokoll statt der tönenden Knattermimen "Helden des Alltags" auf die Bühne. Sie wählten getreu ihrem Konzept der "dokumentarischen Inszenierung" Experten aus der Wirklichkeit. Sie spiegeln im Generalsdrama ein heutiges Politikerschicksal und schließen so überzeugend wie unterhaltsam Klassiker und Gegenwart kurz. Der Sozialrichter Sven Joachim Otto aus der Schillerstadt Mannheim übernimmt die Wallenstein-Rolle, berichtet von seiner Pleite und dem Verrat der Parteifreunde im CDU-Wahlkampf um den Oberbürgermeister-Posten. Eine geprüfte Astrologin agiert anstelle des Sterndeuters Seni. Und Kuppelmutter Gräfin Terzky geht in Gestalt der Chefin einer Seitensprung-Agentur während der Vorstellung per Mobiltelefon diskret ihren Geschäften nach. Ehemalige Vietnam-Veteranen kommen auch zu Wort, ebenso wie der Oberkellner aus Weimar, der bei Staatsempfängen Polit-Größen bediente.

Sie alle erzählen Geschichten über Scheitern und Mut, Ehrgeiz und Einsamkeit und die Political Correctness von Spaghetti mit Tomatensauce. Natürlich auch über die Konflikte in Karriere und Krieg. Die Courage, Ehrlichkeit und Selbstironie der Akteure fesselt, verblüfft und verdient Aufmerksamkeit.
-itz


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WAHL KAMPF WALLENSTEIN