Von Elisabeth Nehring
06.05.2015 / Deutschlandradio Kultur
Was macht Europa aus? Eine Frage, auf die Rimini Protokoll in ihrer Mitmach-Performance Antworten finden wollen.
Was ist Europa? Eine geografische Grenze, eine kulturelle Identität, ein Staatenverbund? Oder eher eine sich ständig wandelnde, abstrakte Idee? Rimini Protokoll fragt in "Hausbesuch Europa", wie viel Europa in einem einzelnen Menschen steckt.
Zu jedem Hausbesuch lädt Rimini Protokoll 15 Leute ein, die sich eher nicht kennen, im Laufe des Nachmittags (oder Abends) aber schnell kennen lernen. Ein Gesellschaftsspiel – in diesem Fall an einem großen Tisch in einer kleinen, charmanten Einzimmerwohnung in Berlin-Neukölln – auf fünf Ebenen: Level 1 und 2 halten vor allem persönliche Fragen bereit, die auf einem Kassenbon aus einem kleinen Automaten ausgeworfen werden: Wer kann von seiner Arbeit leben? (Bitte aufstehen!) Wer hat das Gefühl, schon einmal das große Los im Leben gezogen zu haben? (Auch aufstehen!) Wer hat Angst vor der Zukunft? (Hand heben!) Wer hat schon einmal seine Identität verleugnet? (Warum?) Oder auch: Wer fühl sich eher als Europäer denn als Bürger seines Landes?
Auf Level 3 geht es um gemeinschaftliche Entscheidungsfindung (Die Gruppe soll eine Weile schweigen und nur zusammen darf entschieden werden, das Schweigen zu brechen – wer hebt als erster die Hand zum Schweigenbrechen/wer verweigert seine Zustimmung, auch wenn die Mehrheit schon längst dafür ist? Interessante Psychologie!).
EU-Faktenwissen und Fragen der Solidarität
Auf Level 4 schließlich bilden sich Teams, die gegen-, bzw. miteinander spielen und möglichst viele Punkte sammeln sollen (um auf Level 5 möglichst viel vom gut duftenden Kuchen abzubekommen). Dabei kann man nicht nur mit Faktenwissen rund um die EU punkten (oder eben auch nicht), sondern vor allem das Wissen um die persönlichen Bekenntnisse der Mitspieler ausnutzen (Sollen die Personen, die von sich glauben, das große Los gezogen zu haben, wirklich einen weiteren Punkt bekommen? JA oder NEIN?)
Fragen nach persönlicher Solidarität, Kompromissbereitschaft, Verantwortung werden dabei berührt und immer wieder auch Kernpunkte in der Geschichte der Europäischen Union. Nicht immer verknüpfen sich die beiden Ebenen, doch trotz der vielen losen Enden in der Dramaturgie ist "Hausbesuch Europa" in psychologisch interessantes und vor allem höchst amüsantes Gesellschaftsspiel.