Fröhlicher Herbstreigen

Pförtner und andere beim SpielArt-Festival in München

Von Florian Malzacher

/ Frankfurter Rundschau

Das deutsche Theater blickt nach Polen: Mit Pförtnern, alten Männern und viel Formalismus wartet das Spielart-Festival in München auf

FLORIAN MALZACHER

Er habe in Krakau einen amerikanischen Theaterwissenschaftler getroffen, erzählt der Regiebastler Stefan Kaegi, der habe immer wiederholt: Die Zukunft des Theaters liege in Polen. Und die Deutschen müssten sich so lange polnisches Theater anschauen, bis sie es verstünden. - Na, dann mal los.

Das Spielart-Festival bot dazu Gelegenheit und lud in diesem Jahr gleich mehrere polnische Gruppen nach München ein, das Teatr Cinema mit ihrem bildlastigen Lyriktheater, das Teatr Rozmaitosci Warszawa mit einer Version des Fest von Vinterberg/Rukov oder die Komuna Otwock, die seit fünfzehn Jahren theoretische Überlegungen in theatrale Bilder umsetzt: Während Design: Gropius sich mit dem Leben des berühmten Bauhaus-Architekten als Protagonist einer "nicht-revolutionären Transformation" beschäftigt, arbeitet sich Perechodnik / Bauman an der Figur des Juden Calel Perechodnik ab, der als Kollaborateur der Nazis das Ghetto von Otwock überlebte.

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Ob das polnische Theater aber nun wirklich die Zukunft ist, das bleibt beim Spielart-Festival eher unwahrscheinlich. Oft hat man das Gefühl, es nicht zu wenig, sondern zu gut zu verstehen: Viele der Formen und Inhalte riechen schwer nach den Avantgarden der siebziger und achtziger Jahre - nicht nur der westlichen, auch der polnischen á la Thomasz Kantor.

Vielleicht liegt die Zukunft halt doch anderswo: Stefan Kaegi ist kein Pole, und er macht ein Theater, das man, scheint's, überall gut versteht. Er inszeniert in aller Herren Länder, in Polen zum Beispiel, aber auch in Argentinien, von woher er sein Stück Torero Portero mitgebracht hat: Kaegi macht Theater mit "echten Menschen", greift ihre Geschichten auf und destilliert aus ihnen das spielerische, gestische und textliche Material, das er dann durch Querverweise anreichert. Kein richtiges Doku-Theater, sondern eher ein Theater, das wie eine Dokumentation hergestellt wird. In diesem Fall sind es drei arbeitslose argentinische Hausmeister, die aus ihrem Leben berichten - sie stehen auf der Straße und werden vom Publikum durch eine Scheibe gesehen, so wie sie in ihren Pförtnerlogen die Menschen meist durch eine Scheibe sahen. Es ist nicht zuletzt ihre Präsenz die den Abend so humorvoll und anrührend macht. Und die Präzision und das Theatergeschick des Regisseurs, die sie genau so wirken lässt.

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Was nicht jeder so sieht: Auf der Toilette schimpfen ein paar junge Besucher, dass wir Deutsche mit unserem Schiller und unserem Kleist es doch nun wirklich nicht nötig hätten, uns von ein paar Engländern so verarschen zu lassen. Hätte sie sich an Shakespeare erinnert, dann wäre nicht nur den Engländern etwas mehr Gerechtigkeit widerfahren, sie hätten auch Forced Entertainment in die richtigere Tradition eingeordnet. Vielleicht müssen die Deutschen so lange britisches Theater schauen, bis sie es verstehen.

Das Spielart-Festival in München dauert noch bis um 8. November.

www.spielart.org


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