Von Sonja Weber
12.11.2011 / RP (Rheinische Post)
"Eine Figur mit hundert Köpfen, ein Chor, der nicht synchron sprechen kann, kein Lied geübt hat", so stellt sich das Ensemble im Schauspielhaus der Domstadt vor, ein Fragen stellender und Auskunft gebender Korpus, der repräsentativ für die Bevölkerung Kölns 2010 sein soll. Das international agierende Berliner Regie-Kollektiv Rimini Protokoll – stilbildende Pioniere des Dokumentartheaters – setzt an den Beginn seiner Arbeit "100 Prozent Köln" eine "statistische Kettenreaktion": 100 Kölner Bürger wurden ausgesucht – 51 von 100 sind weiblich, 39 katholisch, fünf jünger als sechs Jahre, zehn Schüler, zwei Alleinerziehende, 83 Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit, acht Kölner mit türkischem Pass, zehn aus Porz, acht aus Chorweiler und acht älter als 75 Jahre.
Sie charakterisieren sich als Träumer, Mutter im Ruhestand, Pianistin, medialer Künstler, Naturbursche, Vollzeit-Asozialer und so weiter. Und sie werfen Fragen auf: Wer fühlt sich einer Minderheit zugehörig? Wer hat Angst vor der Zukunft? Wer war schon einmal Opfer oder Täter von Gewalt? Wer befürwortet den Bau der größten Synagoge in Köln? Wer ist verliebt? Wer war schon mal in einem Bordell? Wer findet es gerecht, dass Banken mehr Macht haben als Politiker?
Beeindruckend, wie Rimini Protokoll den Puls der Stadt fühlt, Menschen aussagekräftig auf die Bühne bringt. Gespannt, lachend, zustimmend oder "Buh"-rufend reagieren die Kölner auf die 100 "Experten des Alltags".
"Wir werden etwas bewirkt haben" ist der mit großem Applaus bedachte Schlusssatz bei der Uraufführung im Schauspiel zu Köln.