Von Marcel Pochanke
02.12.2019 / Sächsische Zeitung, Lokalausgabe Dresden (www.saechsische.de)
Wie ist das, wenn man eine Revolution erbt? Auf einer Insel, die viele verlassen haben und noch mehr gern verlassen würden, die gleichzeitig gerade in der westlichen Welt Fläche für viele sozialromantische Projektionen bietet? Es ist kompliziert. Und es macht stolz.
Das sind zwei der Botschaften aus „Granma. Trombones from Havana“, das am Freitag und Sonnabend im Dresdner Festspielhaus Hellerau gastierte. Granma, das ist die berühmt gewordene Jacht, mit der Fidel Castro und 82 Rebellen 1956 auf Kuba landeten. Darunter Faustino, der dann in Castros Regierung mitarbeitet, als „Minister für die Rückgewinnung schlecht verteilter Güter“. Jetzt steht sein Enkel Daniel auf der Bühne und fragt in den Saal, ob es so einen Minister auch hier in Deutschland gebe? Der Abend handelt nicht nur von den Sehnsüchten der vier jungen Kubaner, sondern auch von denen des Publikums – und spielt mit ihnen.
Die Posaunen (Englisch: Trombones) zu spielen haben sich drei der vier Darsteller innerhalb eines Jahres angeeignet, Diana konnte das schon und berichtet, dass ein einigermaßen geübter Musiker in Havanna deutlich mehr verdient als etwa ein Hochschulprofessor. So bringen die Posaunen immer wieder Struktur und Schwung in den Abend, der vor allem aus den Geschichten der Beziehung von Großeltern und Enkeln besteht. Und die Eltern? „Es sollten neue Menschen werden, aber das ging daneben“, sagt Daniel.
Es sind die Großeltern, die für ihre Utopien gekämpft haben. So wie Rufino, der in der UdSSR an Waffen ausgebildet wurde, die dann nie auf Kuba ankamen. Später kämpfte er im Angolakrieg, berichtet er, überlebensgroß auf Video eingeblendet. „Ich habe mein Leben für die Revolution gelebt“, sagt er. An seiner statt ist sein Enkel Christian hier. Der erklärt, er halte Krieg generell für keine gute Idee. Auch die Kriege nicht, in die der Opa zog. Und dennoch könnte es für diesen und die anderen Großeltern keine größere Respektbekundung geben als dieses dokumentarische Theaterstück, das Stefan Kaegi vom Kollektiv Rimini Protokoll erarbeitet hat.
Der Abend bietet ungeachtet der harten politischen Konflikte im Hintergrund viel menschliche Wärme und schafft Sympathien – unabhängig von der Denkrichtung und den jeweiligen Lebenswegen. „Wer wurde im Ostblock geboren und hat uns während des US-Embargos unterstützt?“, geht die Frage ins Publikum. „Ihr, die ihr im europäischen Westen geboren wurdet (bitte auch melden), habt uns bekämpft.“ Das Stück hält hier genug Ironie bereit, um nicht zum Angriff oder Gesinnungskampf zu werden. Die Anspielung auf die politische Rechte und ihre Stimmengewinne in Dresden findet dennoch statt. Ohne revolutionäres Pathos.
Das Erbe der jungen und gebildeten Kubaner, das wird fühlbar, ist eine Lust und eine Last. Modernisieren? Anpassen? Auswandern? Oder die Revolution fortsetzen? Hier findet der aktuelle Kampf Kubas statt.