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Heute startet das Gastspiel von "Cargo-Sofia-Riga"

Von Kaspars Zavileiskis

07.11.2006 / NEATKARIGA

Die Vereinigung der jungen Regisseure „Rimini Protokoll“ aus Deutschland hat ihr Werk in Lettland schon im vorigen Festival „Homo novus“ präsentiert. In diesem Jahr einer von drei Mitglieder der Gruppe, Stefan Kaegi, ist auf eine Woche wiederum nach Riga mit seiner neusten Aufführung „Cargo Sofia“ gekommen. Nur dem Titel ist das Wort „Riga“ beigefügt worden.

Ueber die Strecke der Fracht

Stefan ist ziemlich überrascht über die kurzfristige Weihnachtsstimmung in Riga, weil vorher er die Hauptstadt von Lettland nur in einer langen Herbsttracht gesehen hatte. Mit einer raschen Bewegung ordnet er seine Brille und seinen Schal. Kaegi ist ein hervorragendes Muster dafür, wie ein junger europäischer Theaterregisseur sich kleiden und benehmen sollte. Und es scheint so, dass er beim Sprechen den chaotischen und schnellen Gedankenstrom einer künstlerischen Persönlichkeit zu bremsen versucht, in dem er laut und ruhig nur das Wesentlichste sagt.

„Für die Aufführung mit dem LKW wäre solches Wetter hervorragend,“ sagt er nachdenklich. Es geht um das neuste Werk von Kaegi „Cargo Sofia“, wo ein LKW wirklich die Hauptrolle spielt. Oder auch zwei seine Fahrer, richtige bulgarische Fernfahrer Ventzislavs Borisovs und Nedjalko Nedjalkovs, die vierzig Zuschauer durch die Orte Rigas führen werden, wo meistens solche LKW’s fahren. „Das wäre eine herrliche Zusammensetzung: eine industrielle Gegend und in der Dunkelheit glänzende Schneeflocken,“ so Kaegi.

Die Aufführung „Cargo Sofia“, in der die Zuschauer im Anhänger eines LKW’s (gemütlich sitzend in der Wärme und angeschnallt) geführt werden und durch ein breites Fenster schauen, hat schon einen grossen Teil Europas bereist.

Wahrheitsgetreue Geschichten

Seine Ideen so wie auch die Ideen seiner Freunden und Kollegen von „Rimini Protokoll“, Helgard Haug und Daniel Wetzel, haben eigentlich sehr schnell die Theaterwelt Europas erobert, weil sie überraschend realitätsnahe Werke machen. So wurden im ersten Werk von „Rimini Protokoll“ im Juni 2002 „Sonde Hannover“ die Zuschauer in einem Versteck auf dem zehnten Stockwerk eines Bürohauses platziert und von dort beobachteten sie, was auf den Fussgängerwegen passierte.

„Mich hat der Gedanken über Fernfahrer entzückt, weil die Fahrer eigentlich in ihrem Auto leben,“ sagt Stefan. „Für diese zwei bulgarische Männer ist beispielsweise nichts ungewöhnliches, zwei Tage in Oesterreich zu verbringen, ohne das Auto zu verlassen. Das Essen wird mitgenommen. Schwere Umstände.“

Besonders überrascht war Kaegi über die Küche der Fahrer – da gibt es sogar ein Gasherd, der herausgezogen und worauf das Essen vorbereitet wird. Unabhängig vom Wetter. „Diese Küche werden sie auch bei der Aufführung demonstrieren,“ sagt Kaegi. „Die Leute wissen über diese Fahrer viele Kleinigkeiten und ihre wahre Geschichte nicht.“

Skype-Freundin

Die Arbeit auf diesem Theatergebiet ist nicht eine spontane Idee, um eigene Originalität zu demonstrieren. Die Realität hat den Regisseur dazu inspiriert – das Studium in der Universität Giessen. Es mangelte dort an wirklichen Schauspieler, aber es bestand ein Wunsch und Bedarf, Aufführungen zu machen. Dann hat Kaegi, der vorher auch etwas als Journalist tätig war, festgestellt, dass es interessanter wäre, nicht eigene Kollegen oder sich selbst in eine Aufführung zu involvieren, sondern das Material vom wirklichen Leben zu leihen. Jetzt hat er seine Nische schon beherrscht und findet sie nie langweilig – in jedem Land kommen neue Ueberraschungen vor.

Es ist nicht ganz so, dass der Regisseur bei allen Vorstellungen anwesend ist, aber wegen ihrer Besonderheit muss er mindestens zu den Proben und ersten Vorstellungen kommen. Deshalb antwortet Kaegi auf die Frage: was er als sein Zuhause bezeichnet? – folgendes: „Im Moment LKW. Eigentlich könnte es auch meine grosse Reisetasche sein. Oder mein Computer, den ich mitschleppe.“

Kaegi sagt, dass er bald nach Brasilien gehen wird, wo er bereits längere Zeit in den achtziger Jahren verbracht hat. In Argentinien lebt seine Freundin, die gegenwärtig in New York ist, und die Freundschaft wird durch Chatprogramme Skype realisiert. Die kleine Digitalwelt…

Andrejs Jarovojs, Regisseur, hat im vorigen Jahr an die Meisterklassen von „Rimini Protokoll“ teilgenommen:
„Man konnte merken, dass die Leute von „Rimini Protokoll“ akademisch ausgebildete Leute sind. Dabei ist diese Ausbildung viel breiter, als es bei uns im Bereich Theater üblich ist. Kaegi ist wissend nicht nur über Theaterregie oder Schauspielkunst, sondern auch über die Auffassung der Zuschauer, Tätigkeitsprinzipien der Massenmedien und andere feine Sachen. Das Interessanteste ist aber, wie er überhaupt Inspiration für neue Projekte findet. „Rimini Protokoll“ arbeitet nicht mit fertigen Stücken, sondern bildet die Dramaturgie gemäss einer Situation, einer konkreten Lokalität, und das ist sehr kreativ. Auch die Meisterklassen wurden wie eine Vorstellung gemacht, wo wir alle Schauspieler waren.“

Text unter dem Foto: Stefan Kaegi ist eine Person, die gelernt hat, Augen offen zu halten – ungewöhnliche Ideen und ungewöhnlichere Menschen gibt es überall. Man muss nur sie sehen können.


Projekte

Cargo Sofia-X