Von Catherina Gilles
20.02.2008 / hr-online
Theater mit LKW-Fahrern, Vietnam-Veteranen, Polizisten oder Politikern - das ist das Konzept des Theaterkollektivs Rimini Protokoll. Jetzt stehen im Schauspiel Frankfurt Journalisten auf der Bühne, die dem weltweiten Fernseh-Nachrichten-Zirkus auf der Spur sind.
"Breaking News" ist der Titel der neuen Inszenierung des Team. Anstelle von Schauspielern sieht man "Experten des Alltags": Fünf Journalisten, eine ZDF-Cutterin und diverse Übersetzer. Sie bewegen sich in einer gewaltigen High-Tech-Installation aus zwei Dutzend Bildschirmen, auf denen zur "Tagesschau"-Zeit parallel die Abendnachrichten internationaler Fernsehsender empfangen werden. Die Programme, vom Pentagon Channel bis zum syrischen Staatsfernsehen, sind das Rohmaterial des Theaterstücks – live übersetzt, kommentiert und collagiert.
"Breaking News" ist nun am Frankfurter Schauspielhaus zu Gast, in Berlin und Düsseldorf war es schon zu sehen. Auf der Bühne stehen Símon Birgisson, Martina Englert, Djengizkhan Hasso, Carsten Hinz, Hans Hübner, Marion Mahnecke, Andreas Osterhaus, Walter van Rossum und Sushila Sharma-Haque.
Probenbesuch
Der Medienkritiker Walter van Rossum steht Kopf für dieses Stück – heute Abend wird er darin sich selbst spielen: den Medienkritiker, der die Tagesschau kommentiert. In drei Stunden geht es los. Dafür schaut er sich gerade die 17-Uhr-Nachrichten an. Vorbereitung auf das Theaterstück, denn die Nachrichten der Tagesschau werden nachher mit anderen aus aller Welt verglichen. Walter van Rossum ist schon ganz aufgeregt: "Wie es läuft, ist natürlich sehr aufregend, und ich denke ja, ich würde etwas von Medien verstehen und ich finde es immer noch total aufregend."
Es ist 18:30 Uhr – eine Stunde vor Einlass der Zuschauer findet die Redaktionskonferenz statt mit Journalisten und Dolmetschern aus aller Welt. Hier ist Theater wirklich tagesaktuell. Echte Journalisten und echte Dolmetscher können das viel besser als Schauspieler, finden die Theaterleute von Rimini-Protokoll. Helgard Haug und Daniel Wetzel geben als Regisseure nur eine Vorlage - die Mitspieler aus dem wirklichen Leben gestalten das Stück – mit ihren eigenen Erfahrungen.
Daniel Wetzel: "Irgendwann haben wir gemerkt, dass eigentlich die Leute, mit denen wir im Zusammenhang mit solchen Projekten zu tun haben, die Hausmeister, die Feuerwehrleute, dass die ja viel interessanter sind als wir, als die Perspektive, dass unsere Biografie immer der Stoff sein soll, aus dem wir unsere Arbeiten schlagen, war uns irgendwann suspekt."
Doku-Theater
Auf der Bühne an diesem Abend: ein Wohnblock, in dem all die verschiedensprachigen Fernsehprogramme gleichzeitig laufen sollen. 20:00 Uhr, Primetime – jetzt zählt es: Nachrichten aus allen Erdteilen werden in Echtzeit eingespielt und übersetzt. Nachrichten, die man so im direkten Vergleich sonst nie zu sehen bekäme. Einblicke zum Beispiel in das arabische Fernsehen. Interessant ist der Blick aus dem Ausland auf die deutsche Nachrichtenlage, etwa im russischen Staatssender. In eine Theaterhandlung eingebettet ist all das durch Zitate aus den "Persern", einer griechischen Tragödie. Die Kriegsberichterstatter heißen hier noch "Boten".
Tägliches Nachbearbeiten
Daniel Wetzel: "Wir machen morgen früh eine Runde und überlegen, wie hätte es auch laufen können und sammeln Momente, die nicht geklappt haben. Da sind wir am Feilen. Im Prinzip sind wir da weniger Regisseure als Trainer in einer Sportart, die wir aber auch erst kennen lernen."
Nach eineinhalb Stunden flimmern einem die Augen von all den Fernsehbildschirmen. Trotzdem ist Breaking News ein Stück, das nachwirkt. Die Nachrichten des nächsten Tages wird man mit anderen Augen sehen.
Bericht: Catherina Gilles