Von Peter Laudenbach
/ Tagesspiegel
Nicht mehr um oben und unten, um Unterdrückte und Ausbeuter geht es in der Moderne, sondern darum, wer dazugehört und wer ausgeschlossen ist von den gesellschaftlichen Funktionssystemen: Inklusion oder Exklusion nennt Niklas Luhmann das. Wer noch dazugehört, sitzt im Warmen, zum Beispiel in einem leeren Ladengeschäft in der SPD-Parteizentrale, und schaut durch die Schaufensterscheibe nach draußen. Dort, auf der Stresemannstraße, erzählen drei Männer aus ihrem Leben, drei Argentinier, die der Regisseur Stefan Kaegi zu den Protagonisten seines Theaterprojekts Torero Portero gemacht hat: Tomas Gonzalo Kenny, Juan Domingo Spicogna und Edgardo Norberto Freytes.
Früher waren sie Pförtner, ihr Job war es, die Grenze zwischen drinnen und draußen zu bewachen. Jetzt sind sie arbeitslos, Opfer des Zusammenbruchs der argentinischen Wirtschaft, drei von Millionen. "In Argentinien gibt es inzwischen so wenig Arbeit, dass Arbeiter bald Museumsstücke sind", sagt die Ehefrau eines Pförtners zu ihm, nachdem er für das Theaterprojekt engagiert wurde. "Dann werden die Arbeiter in Vitrinen ausgestellt." Aber Kaegi, einer der Regisseure der Gruppe Rimini-Protokoll, stellt die Pförtner nicht in einer Vitrine aus, er macht kein sentimental sozialkitschiges Mitleidstheater, sondern das Gegenteil davon: Seine drei Pförtner führen vor, dass man sich über die Grenze zwischen drinnen und draußen, zwischen Arbeit und Arbeitslosigkeit zum Beispiel, auch melancholisch lustig machen kann. Dann winken sie in eine Überwachungskamera und grüßen einen gewissen "Herrn Thomas Baldy", den Pförtner in der Sicherheitszentrale des Willy-Brandt-Hauses, ein Kollege.
Eine charmant intelligente Theater-Installation. Ein schöner Vorgeschmack auf die nächsten Rimini-Projekte im HAU-Theater. Und ein sarkastischer Kommentar zum SPD-Parteitag, ausgerechnet an dem Ort, wo das institutionelle Herz der Sozialdemokratie schlägt.
Peter Laudenbach
Bis 23.11., Willy-Brandt-Haus, Stresemannstraße