Futur4

Von Helgard Haug / Daniel Wetzel

Was erwartet eine Generation von der nächsten? Welches Erbe wird übernommen? Lassen sich die Erfahrungen der Jugend heute überhaupt noch mit der Jugend vor 50 Jahren vergleichen? Und wie sieht es mit der Jugend in 50 Jahren aus? Futur4 leitet die Zukunft einer Biographie, Aufführung für Aufführung, Satz für Satz, neu ab. Jeden Abend neu fräst sich das Stück weiter in eine Gegenwart, die bei den Aufführungen zuvor noch Zukunft war - so wie Science Fiction Leben spekulativ in die Zukunft projiziert.

Futur4 ist der dritte Teil einer Reihe von Monologen nach ‚Black Tie’ (2008) und  ‘Qualitätskontrolle‘ (2013): Die Protagonistin Ursula Gärtner wurde als Kind mit ihrer Familie Anfang der 70er Jahre von der Bundesrepublik Deutschland aus Rumänien herausgekauft, „ohne Quittung“, ohne Option auf Rückkehr, von der eigenen Geschichte abgekoppelt. Mit welchen Vorstellungen von ‘ihrer Zukunft’? Als eine von tausenden von Siebenbürger Sachsen - den Nachfahren von Siedlern aus dem mittleren Westen Europas, die sich auf Einladung ungarischer Könige vor 800 Jahren in einem Gebiet ansiedelten, das heute im Deutschen Transsylvanien oder Siebenbürgen genannt wird. Seither und unter immer wieder wechselnder Herrschaft, wurden Deutsch als Sprache und die dörfischen Traditionen erhalten und wachsen dort noch heute Menschen auf: in Rumänien die fremden Deutschen, in Deutschland die irgendwie deutschen Rumänen. 

Was macht das ‘Recht auf die eigene Vergangenheit und Geschichte’ (Herta Müller) mit der Gestaltbarkeit der Zukunft?
Futur4 blickt in die Zukunft. Was kann, was will die nächste Generation wissen? Wie wird sie sich in Beziehung setzen zu dem, was war? Wie kann sie sich daran messen lassen, wenn es näher rückt? Wie sehr sind wir determiniert durch die Narrative unserer Herkunft - wie sie uns übermittelt werden, wir sie bei uns entdecken - wie andere sie auf uns projizieren? Welche Wandlungsprozesse durchlaufen kulturelle Identitäten? Wie werden sie gestört, modifiziert, eingehegt?

In diesem dokumentarischen Stück wird das Leben zum ‘Dauerthema’. Wie es sich immer neu schreibt und umgeschrieben wird. Der Sohn der Protagonistin beschäftigt sich mit künstlicher Intelligenz, er erwartet außerdem ein Kind... und so wird das Publikum Teil einer Science Fiction - im Moment ihrer Inszenierung - mit Hilfe von KI , Wissenschaft und Theater und kann sie sich selbst in das Leben der Protagonisten einschreiben. Was ist Science Fiction, wenn sie nicht in Raketen und anderen Planeten gedacht wird, sondern in anderen Entwürfen des Wissen-Wollens, des Mensch-Seins, der gelebten Zuversicht?


Mit: Ursula Gärtner uam.

Konzept, Text & Regie: Helgard Haug und Daniel Wetzel
Dramaturgie: Christiane Kühl
Szenografie: Dominik Steinmann
Technische Leitung und Licht Design: Joscha Eckert
Video Design: Juan Pablo Gaviria Bedoya
Kostüm: Christine Ruynat
Sound Design: tba
Künstlerische Mitarbeit Regie: Paula Holzhauer
Produktionsleitung & Mitarbeit Recherche: Lara Fischer

Eine Produktion von Rimini Apparat in Koproduktion mit Goethe-Institut Bukarest, Hessischen Staatstheater Wiesbaden, Sibiu International Theatre Festival / „Radu Stanca“ National Theater (Romania), Theater Rampe in Stuttgart und Theater im Pumpenhaus Münster.

Aufführungsrechte: schaefersphilippen Theater und Medien GbR

Die Produktion wird gefördert aus Mitteln des Projekts „NARDIV - United in Narrative Diversity? Cultural (Ex-)Change and Mutual Perceptions in Eastern and Western Europe at the threshold of the digital age”, finanziert vom Horizon Europe Programm der Europäischen Union unter der Zuschussvertragsnummer 101095171.