Cameriga
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©Rimini Protokoll
Jede Nutzung des Fotos ist grundsätzlich honorarpflichtig. Bitte kontaktieren Sie den*die Fotograf*in.
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Theaterprojekt über eine Meta-Bürokratie. 20 Menschen, die mit dem ehemaligen Rathaus von Riga in Verbindung stehen, besetzen noch einmal 20 Büros im jetzt leerstehenden Gebäude. 1913 als Bank gebaut, war das Haus an der K. Valdemara Iela 3 in den 30er Jahren Außenministerium und die Residenz von Staatspräsident Kärlis Ulmanis, unter der deutschen Besatzung wichtigstes militärisches Befehlszentrum und in Sowietzeiten unter anderem das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei. Seit der Unabhängigkeit Lettlands diente es als Stadtverwaltung von Riga. Diese zog 2003 um. Bald sollen die Mitarbeiter des Auswärtigen Amts die Räume in Besitz nehmen. Doch im Moment steht das Gebäude noch leer.
Wächter sichern jetzt in 24stunden-Schichten das entkernte Gehäuse staatlicher Repräsentation. Hier saßen sich Antragsteller und -nehmer gegenüber, hier wurden Aktenzeichen vergeben, Dokumentenberge angehäuft und abgestempelt. Hier wurde über Lebenswege entschieden. Jetzt sind die Räume verwaist. Auf jedem Stockwerk zeigt die Uhr eine andere Zeit. In einer Ecke stehen aufgerollte Fahnen, an den Wänden haben sich Spuren von Bildern, Stadtplänen und Zimmerpflanzen abgezeichnet. Der Holzboden erzählt von sich wiederholenden Auftritten und Abgängen.
Das Festival Homo Novus hat das Regieteam Rimini Protokoll eingeladen, in wenigen Tagen eine dokumentarische Versuchsanordnung für Riga zu entwickeln. Helgard Haug, Stefan Kaegi und Daniel Wetzel wählten das Gebäude an der Valdemara iela 3 und seine Geschichte zur Grundlage ihrer Recherche. Mit Hilfe von zahlreichen Ratgebern fanden sie über 20 Experten für das Vakuum zwischen Stadtverwaltung und Aussenministerium. Sie werden an zwei Tagen in einer Art verräumlichten Konferenz das Gebäude wiederbeleben.
Der Pförtner delegiert den Besucher an ein erstes Büro, an einen ersten Experten für das was dieses Gebäude konnte, kann und könnte. Allein oder in 2er Gruppen machen sich die Zuschauer als Antragsteller auf den Weg durch die Koridore der Institution. Die Dokumente, die hier Stadtgeschichte geschrieben haben, sind längst umgezogen. Jetzt schreibt der Gang der Zuschauer durch das Bühnenbild ein neues Stück. Die Auswahl und Abfolge von 6 aus über 20 Büros ist von scheinbarer Willkür bestimmt – wie so viele Behördengänge. Jede Zuschauergruppe legt einen anderen Weg durch durch die Institution zurück. In 5minütigen Gesprächen wird – Büro für Büro – das Haus als Kreuzung von Riger Lebenswegen wieder lebendig. Cameriga ist eine soziale Plastik. Eine Meta-Bürokratie als Experiment.
Von: Helgard Haug, Stefan Kaegi, Daniel Wetzel
Mit: Māra Alksne (Riga City Council archive), the “King of the world" und Liene Jurgelāne (Dokumenten-Übersetzerin), Vita Timermane-Moora und Chor des Außenministeriums, SIA „Tiriba” (Reinigungs-Team), Gita Umanovska (executive director Jüdische Gemeinde Riga), Marika Barone (Übersetzerin, Stdt Riga, Abteilung Auslands-Beziehungen), Gunārs Janaitis (Photograph), Iveta Kalniņa (Sekretariat Stadtverwaltung), Juris Peršakovs (Stadtverwaltung, Chauffeur), Normunds Puriņš (Wärter im Aufführungs-Gebäude), Māris Krūmiņš (Stadtverwaltung, IT-Abteilung), Tālivaldis Margēvičs (Filmemacher), Laima Lupiķe (Stadtverwaltung, Leitung Auslands-Beziehungen), Viesturs (Underground-Regisseur), Gunta Muižniece (Stadtverwaltung, Leitung Sekretariat), Aleksandrs Frīdrihs Neilands (Historiker, im Baujahr geboren), Ingrīda Nokalna (Stadtverwaltung, Chef-Assistentin d. Leitung Sekretariat), zwei russische Schachspieler aus dem Park, Vanda Zariņa (Historikerin), Margita Zālīte (Pressesprecherin d. Kultusministerin)
Aufführungen: Homo Novus Festival Riga, ehemaliges Rathaus / künftiges Außenministerium von Riga, K. Valdemar Iela,
24. u. 25. September 2005