Akcje Azjatyckie / Asian Investments

Malta Festival Poznań

Von curated by Stefan Kaegi

“About Lithuania, needless to say, I know less than about China.”


Adam Mickiewicz, Dziady, Part III

Mehr als zwei Drittel der Weltbevölkerung leben in Asien. Davon ist in Posen erstaunlich wenig zu spüren. Offiziell leben hier nur 88 Chinesen und 6 Vietnamesen. Dazu einige syrische und jordanische Studenten, ein paar Busladungen mit japanischen Touristen und noch einmal so viele Menschen ohne Papiere. Nicht besonders viel. Auf jeden Fall weniger als in Venedig, wo viele italienische Restaurants von chinesischem Personal bedient werden oder Wien, wo ein grosser Teil der Musikstudenten aus Asien kommen.

Aber hinter der Kulisse ist Asien auch in Polen. Auf Spielzeugen, Kleidern und Hightechprodukten steht "made in China". Die grössten Stahlfabriken im Land gehören zum Reich des indischen Stahlmagnaten Mittal. Chinesische Bauunternehmer bauen polnische Autobahnen und Fussballstadien. Polnische Soldaten sterben in Afghanistan. Und ganz Europa hofft, mit Hilfe von asiatischen Banken das verschuldete Europa retten zu können.

Wo im Polnischen früher das Wort "Saigon" für asiatisches Chaos stand, steht heute "Czinczek" (Chinesisch) für ein Spiel, in dem der Schnellere gewinnt (Mensch ärgere dich nicht). Das spürt Europa beim geopolitischen Seilziehen zwischen Russland, Westeuropa und China, beim Run auf kasachische und afrikanische Rohstoffe, genau so wie auf den umworbenen indischen Absatzmärkten.

Wenn die Globalisierung aus der Welt ein Dorf macht, wer sind dann unsere Mitbewohner auf der anderen Strassenseite? Wer näht im Sweat-Shop mein T-Shirt? Wer springt in der Massenproduktion eines amerikanischen Computerherstellers in China vom Dach, weil er die Arbeitszeiten nicht mehr aushält?

Kam asiatisches Theater und Kunst im letzten Jahrhundert vorwiegend als Exotikum nach Europa – als Kung Fu Show oder Bhuto-Tanz, Khatakali oder Sufi-konzert – so beschäftigen sich heute Künstler_innen in Europa und Asien mit dem Blick aufeinander, mit den Machtstrukturen einer Welt, in der multinationale Konzerne mittels Outsourcing und Sonderwirtschaftszonen nationale Grenzen umgehen und Sozialgesetze aushebeln.

Idiom lädt 2012 Projekte ein, die China in der eigenen Innenstadt erkennen (Dries Verhoeven), die Gewalt im Libanon als westlichen Export thematisieren (Rabih Mroue / Lina Saneh), polnische und deutsche Deportationen in Kasachstan orten (Rimini Protokoll) oder ausserirdische Kräfte hinter asiatischem Geld imaginieren (Cris Kondek/ Christine Kühl).

Aber Idiom zeigt 2012 nicht nur Gastspiele, sondern produziert auch eine ganze Reihe von Projekten, die extra für das Malta-Festival entstehen. So wird die Herstellung des diesjährige Festival-T-Shirts ganz bewusst nach Nordkorea ausgelagert, wo der deutsche Künstler Dirk Fleischmann seine Produktionsbedingungen genau beobachten und für das Festival dokumentieren wird. Ant Hampton entwickelt ein Theaterstück, bei dem die Gesichter der Zuschauer mit dem Bild von chinesischen Arbeitern der Apple Fabrik überlagert werden, in der der Prozessor des Computers gebaut wurde mittels dessen er mit ihnen spricht. Die Radiojournalistin Wanda Wasilewska lässt illegale Migranten aus Asien mitten im Stadtzentrum von Poznan die Routen ihres Lebens erzählen und Wojtek Ziemilski macht sich auf die Suche nach den mehreren Millionen Angehörigen der Huangfamilie deren Angehörige über die ganze Welt verstreut leben.

Idiom 2012 schlägt interkontinentale Beziehungen vor: Geschichten statt Raketenabwehr, Begegnungen statt Pipelines und vor allem ein Festival, das sich nicht auf das sichere Terrain der Kunst zurückzieht sondern zu einer Reise einlädt: Asien - made in Poland.

 

Akcje Azjatyckie / Asian Investments is the Idiom of this year’s Malta Festival Poznań. The Idiom Curator is Swiss/German artist Stefan Kaegi

WITH PROJECTS BY:
OMER KRIEGER / PUBLIC MOVEMENT (IL)
ANT HAMPTON (GB)
WOJTEK ZIEMILSKI (PL)
LIVING DANCE STUDIO (CN)
RIMINI PROTKOLL (DE)
DRIES VERHOEVEN (NL)
LIVING DANCE STUDIO (CN)
RABIH MROUÉ / LINA SANEH (LB)
CHRIS KONDEK / CHRISTIANE KUHL (DE)
DIRK FLEISCHMANN (ROK)
EX NIHILO (FR)
WANDA WASILEWSKA (PL)
AMONG OTHERS