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Ich spiele Hung

Letztes Familienfoto vor dem Abflug in die DDR 1979 (Hung 2. vorn links) © privat

Auf der Bühne, Dresden 2009
© Matthias Horn

Cao The Hung – Rufname sprich »Hung«

wurde am 15. 9. 1961 in Hanoi (Nordvietnam) geboren. Sein Vater war Diplomat beim Außenministerium (hat zwei Mal Jane Fonda in Hanoi betreut). Im dritten Indochinakrieg 1979 war Hung für zwei Monate in einer Kampfgruppe an der vietnamesisch-chinesischen Grenze stationiert.

Im Sommer 1979 kam er zur Ausbildung zum Betriebsschlosser in die DDR (Weimar) und 1983 nach Bautzen als Facharbeiter im VEB Fortschritt (Landmaschinenbau). 1986 ein Jahr in Dresden beim VEB Nagema (VIDEO: "Mein Wohnheim"). Als 1987 die großen Wellen von »Vertragsarbeitern« in die DDR kamen, wurde er als Sprachmittler für 200 Vietnamesinnen im VEB Kinderoberbekleidung Freital delegiert. 

Nach 1990 selbstständig in verschiedenen Tätigkeiten: Angefangen mit Textilien und Geschenkartikeln. Heute betreibt er mit seiner Frau das Textilgeschäft »H&T« am Albertplatz in Dresden. Nach all der Zeit und Reisen in Europa würde er gerne mehr von Vietnam kennen lernen. Aktives Mitglied im Verein der Vietnamesen in Dresden.

 

Im Wohnheim in Kirschau, 1983 (VEB Fortschritt) © privat

Auf der Bühne, Dresden 2009
© Matthias Horn

Cao The Hung über Schwangerschaften von Vertragsarbeiterinnen

»Bei uns im VEB Kinderoberbekleidung (KOB) Freital waren fast 200 Mädchen. Das Thema Abtreibung war sehr heiß. Mit den Verhütungstabletten hatten wir immer Probleme dabei bekamen sie sie gratis. Ich musste die Mädchen zum Arzt bringen und für sie übersetzen. Fast jeden Monat war ein Mädchen schwanger und dann sagte der Arzt: »Du bist ja schon wieder schwanger!« In meiner Gruppe gab es eine Frau, die nach Hause musste, weil sie erst im vierten Monat gemeldet hat, dass sie schwanger ist. Sie hatte aber auch schon mal abgetrieben, und wenn zwischen zwei Schwangerschaften weniger Abstand als drei Monate war, durfte der Arzt nicht abtreiben.«

Auszug aus dem Textbuch von Vung Bien Gioi

Auf der Bühne, Dresden 2009
© Matthias Horn

Cao The Hung über die Wende

»Nach der Währungsunion 1990 war in Dresden großes Chaos. Besonders vor dem  Hauptbahnhof. Aus Polen und Tschechien kamen viele illegale Händler mit dem Zug, immer ganz früh morgens: eine Reisetasche dabei und Pullover zum Verkauf angezogen. Ich habe direkt auf dem Gleis gekauft. Der Zug kam an und wir sahen die Händler. Und rannten hin. Ganz schnell, aus Angst vor der Polizei. Die verkauften Pullover mit schönen Mustern für zehn DM! Ich nahm 4, 5, 6 Stück. Schöne Muster! Damals konnte man so was in den normalen Geschäften nicht bekommen. Dann ging ich weiter zu meinem Stand in die Wallstraße und verkaufte sie gleich wieder. Für 15 bis 20 DM. Kontrollen gab es keine. Polizei auch nicht. Ordnungsamt auch nicht. Am Anfang war ich sehr schüchtern, weil ich keine Erfahrung mit dem Verkaufen hatte. Man stand da und alle waren Publikum und schauten einen an. Die Deutschen guckten und sagten ›Schau mal ein Fitschi‹ und meine Landsleute guckten und sagten ›Guck mal einer von uns‹. 

Auszug aus dem Textbuch von Vung Bien Gioi

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