Zipp – deutsch-tschechische Kulturprojekte
2007 - 2010
Zipp - deutsch-tschechische Kulturprojekte ist eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes, die schon zum dritten Mal den bilateralen Kulturaustausch zwischen Deutschland und dem östlichen Europa befördert. Zipp nimmt ausgewählte Themen in den Fokus, die in beiden Ländern gesellschaftlich relevant sind - zum Beispiel Fragen nach dem Erbe der Demokratiebewegung, dem Umgang mit historischen Traumata oder der Zukunft unserer Städte. In Kooperationsprojekten finden sich Künstler, Kulturschaffende und Wissenschaftler unter dem Dach von Zipp zusammen und realisieren Produktionen in Theater, Film, Radio, Architektur, Bildende Kunst und Zeitgeschichte. Der inhaltliche Fokus von Zipp liegt auf folgenden Themenschwerpunkten:
In unserer globalisierten Gegenwart haben Lebenswelten von Nachbarstaaten auch immer Auswirkung auf deren Verhältnis. So prägen die weltweit bedeutsamen Themen wie Ökonomie, Tourismus und Migration die Beziehung von Deutschen und Tschechen, die - über die Nationsgrenzen hinweg - immer im internationalen Kontext zu verstehen ist. Umso genauer betrachtete Zipp die konkreten Lebensumstände der Menschen dies und jenseits der Grenze und entwickelte drei Projekte in unterschiedlichen künstlerischen Formaten.
Was, so fragt die Theatergruppe Rimini Protokoll (Helgard Haug / Daniel Wetzel) in ihrer Produktion Vùng biên giới, liegt zwischen Dresden und Prag? Vietnam. Es ist das Grenzgebiet einer Generationserfahrung: Als Vertragsarbeiter waren sie in die kommunistischen Bruderländer DDR und ČSSR gekommen, in Imbissstuben, Mini- Märkten und Grenze-Läden wuchsen ihre Kinder auf. Und die wollen nun mehr erreichen. Das Stück läuft in der aktuellen Spielzeit des Staatsschauspiel Dresden. Im Dokumentarfilmprojekt Breathless gehen Filmemacher der Erfahrung von Zeit nach, verändert durch eine rasant beschleunigte Konsumkultur. Daraus entstanden ist eine Reihe von fünf Dokumentarfilmen, die zur Zeit in deutschen Kinos gezeigt und auf internationalen Dokumentarfilmfestivals präsentiert werden. Im Sommer 2010 erscheint die DVD (RealFiction Filmverleih). Für rádio d-cz produzierten Rundfunksender in Deutschland und Tschechien fünf Radiokunstarbeiten von Autoren, Hörspielmachern und Komponisten, die individuelle und kollektive Erfahrungen in den Nachbarländern experimentierfreudig einfingen und in Klang verwandelten. Bis zum 28. März 2010 waren die Radiostücke und weitere Entdeckungen aus 80 Jahren Radiogeschichte in der Ausstellung Sounds. Radio - Kunst - Neue Musik im Neuen Berliner Kunstverein auch räumlich zu erleben.
Die mährische Stadt Zlín ist eine Modellstadt der Moderne. Erbaut in den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts orientiert sie sich an der „Funktionellen Stadt" Le Corbusiers, an Howards Gartenstadt und Garniers ‚Cité Industrielle'. Ihr urban-utopischer Anspruch macht sie zu einem einzigartigen städtebaulichen Beispiel europäischer Industriegeschichte - untrennbar verbunden mit der Zlíner Firma Bat'a, einem der einst weltweit größten Schuhproduzenten. Die ökonomischen und sozialen, biographischen und architektonischen Zusammenhänge dieses Idealstadtprojekts wurden auf einem internationalen Symposium vom 19. - 23. Mai 2009 in Zlín und Prag untersucht. Begleitend dazu erschien eine Anthologie im Jovis Verlag. Die Ausstellung Zlín - Modellstadt der Moderne war von November 2009 bis Februar 2010 im Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne zu sehen.
1968 /1989 - diese Daten sind nicht isoliert zu denken; vielmehr wird das Vexierspiel der Jahreszahlen erst interessant, wenn auf den Zwei- ein Dreischritt folgt und man die Ziffer 2008 mitdenkt. Die Jubiläumsjahre 2008 und 2009 erzeugten eine immense Aufmerksamkeit für '68 und '89. Dabei bot der Vergleich zwischen Ost und West durchaus Anlass zur Irritation. Denn das musste schon Rudi Dutschke in Prag erfahren: Die Revolte fand zwar zeitgleich statt, fußte aber dennoch auf grundverschiedenen ideologischen Annahmen. Was daraus nach dem Fall des Eisernen Vorhangs geworden ist, welche Träume in Erfüllung gingen und welche verraten wurden, untersuchten Historiker, Dramaturgen und Künstler gemeinsam im Zipp- Projekt 68/89 - Kunst.Zeit.Geschichte. Daraus entstanden vielfältige Formate der künstlerischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung: Fünf Themenabende in Berlin, Hamburg, Prag, Žilina und Brno sowie sechs Theaterproduktionen, eine Konferenz und vier Journale. Die Publikationen sind vor kurzem unter dem Titel Transit 68/89 im Metropol Verlag in Buchform erschienen.
Als eine der geistigen Voraussetzungen des tschechoslowakischen Aufbruchs, der 1968 im „Prager Frühling" gipfelte, gilt die Kafka-Konferenz auf Schloss Liblice im Jahr 1963. Zum 125. Geburtstag von Franz Kafka konnte das Spannungsfeld dieser beiden Daten in der Konferenz Kafka und die Macht. 1963-1968-2008 in Liblice neu ausgelotet werden. Dort wurden verschiedene Blickwinkel von Literaturwissenschaftlern, Zeitzeugen, Historikern und Philosophen auf die Ereignisse in Beziehung zueinander gesetzt. Außerdem unterstützte Zipp die wissenschaftliche Arbeit an der insgesamt auf 30 Bände angelegten historisch-kritischen Franz Kafka-Ausgabe (FKA) der Germanisten Roland Reuß und Peter Staengle, die im Stroemfeld Verlag erscheinen.
Zipp - deutsch-tschechische Kulturprojekte ist eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes und ein Projekt von relations e.V. Mehr Informationen zu den Projekten von Zipp finden Sie unter: www.projekt-zipp.de