100% Köln

- Eine statistische Kettenreaktion

Von Haug / Kaegi / Wetzel

Das Amt für Stadtentwicklung und Statistik der Stadt Köln berechnete das Durchschnittsalter der 1.027.504 gezählten Kölner auf 41,8 Jahre, der Kommunale Mikrozensus ergab, dass 26 % der Kölner gelegentlich ins Theater gehen, 48 % in die Kneipe und 4 % gelegentlich Ausstellungen besuchen. Für Statistiken geraten Menschen in Tortenstücke, Säulen und Kurven, die für politische Argumentationen und ökonomische Kosten-Nutzen-Strategien verwendet werden. Was ist, wenn diese Statistiken Gesichter bekommen? Wie sieht es aus, wenn Köln sich auf einer Bühne durch 100 Menschen vertreten ließe, eine Menge, so ausgesucht, dass sie statistisch „korrekte“ Aussagen machen kann? Aus „Köln in Zahlen“ werden Zahlen aus Kölnern: 2010 waren unter ihnen 51 weiblich, 39 katholisch, 5 jünger als 6 Jahre, 10 Schüler, 2 Alleinerziehende, 83 Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit, 8 Kölner mit türkischem Pass, 10 Kölner aus Porz, 8 aus Chorweiler und 8 älter als 75 Jahre. Eine Gruppe aus 100 Menschen, deren Zusammensetzung exakt einem Bevölkerungsmodell entspricht, das mit dem Amt für Stadtentwicklung und Statistik erarbeitet wurde. Jeder auf der Bühne steht für 10.000 Kölner. »100 Prozent Köln« zeigt einen Darsteller mit 100 Köpfen, der unsere Stadt spielt, einen Chor, der kein Lied geübt hat, ein Umfragegebilde, das sich zu immer neuen Gruppenbildern zusammen stellt, zu flüchtigen Portraits von Zugehörigkeit und Gegensätzen, ein Bevölkerungsparlament auf 100m2 Bühne. Den Aufführungen von »100 Prozent Köln« geht eine monatelange Bekanntenkreiskettenreaktion voraus: Nur einen einzigen Menschen wählen die Regisseure für die Teilnahme an der Inszenierung aus. Dieser bestimmt entsprechend den Regeln den nächsten Teilnehmer, der zweite einen weiteren, bis 100 Kölner beisammen sind, die »100 Prozent Köln« glaubhaft spielen können. Wer fehlt? Wer denkt, er antwortet anders auf der Bühne als beim Anruf eines Umfrage-Instituts oder in der Wahlkabine? Wer liest Statistiken und wer hat noch keine gefälscht? Wer glaubt, die Stadt ist eine andere, weil er da ist?

 

»100 Prozent Köln« ist eine stadtspezifische Weiterentwicklung des Projekts »100 Prozent Berlin« (Hebbel am Ufer / HAU, Berlin 2008). Während der mehrmonatigen Recherche- und Vorbereitungszeit entsteht Material, das Basis sein wird für ein Hörspiel und eine Raum-Installation in Köln, die Rimini Protokoll mit dem WDR realisieren.

Es spielen: 100 Bürger der Stadt Köln

Konzept und Regie: Rimini Protokoll (Helgard Haug, Stefan Kaegi und Daniel Wetzel)
Bühne: Mascha Mazur, Marc Jungreithmeier 

Video Design: Marc Jungreithmeier

Licht Design: Jan Steinfatt, Marc Jungreithmeier 

Koordination Kette: Christine Mattner, Lena Hintze, Georg Blokus
Sounddesign: Frank Böhle (Musikalische Leitung) / Henry Lau 

Musiker: Helmuth Fass (Bass, musikalische Leitung),
Lars Bartkuhn (Gitarre, Komposition),
Lars Duppler (Keyboard),
Marcus Möller (Drums),
Inga Lühning (Gesang)
Dramaturgie Köln: Götz Leineweber
Regieassistenz: Christine Mattner, Lena Hintze 

Bühnenbildassistenz: Céline Demars 

Regiehospitanz: Georg Blokus 

Produktionshospitanz: Christian Blokus, Emilia May 

Bühnenbildhospitanz: Stephanie Lange