Brunswick Airport

Weil der Himmel uns braucht

Von Haug / Kaegi / Wetzel

Ortsspezifische Installation auf und um den Flughafen Braunschweig...

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"Braunschweig hat alles, was ein voll funktiionstüchtiger Verkehrsflughafen braucht — nur in Mini." (Wernher Baumbach — Geschäftsführer Flughafengesellschaft Braunschweig mbH)

"Unser Haus liegt dem Flughafen genau gegenüber. Hier war früher alles Spargelfeld." (Frau und Herr Eickenroth, Am Flughafen 15, Waggum)

Die Technik der Flugsimulatoren wirkt heute so realitätsnah, dass Piloten den virtuellen Flug von Hannover nach Brüssel nicht nur als normale Trainings-Flugstunde angerechnet bekommen, sie müssen danach sogar vorschriftsmäßig eine Ruhepause abhalten. Während im Cockpit die Handflächen feucht werden, stellt sich der Flugvorgang von außen völlig anders da: eine Box steht auf sechs seitlich und in der Höhe biegsamen Stelzen und bewegt sich ruckhaft hin und her. Ein Schrank von Rechner füttert den Simulator mit den Bildinformationen und den dazugehörigen Wacklern.

"Weil der Himmel uns braucht" lautet das Motto der Deutschen Flugsicherung - eines von Dutzenden von Unternehmen und Forschungsinstitutionen, die Braunschweig zum Luftfahrt-Technologie-Standort fürs Virtuelle gemacht haben. In Braunschweig stehen die Zeichen auf Morgenluft und Aufbruch: Das Planfeststellungsverfahren für die neue Startbahn läuft, statt Hotels haben sich rund um den "Forschungsflughafen Braunschweig" Forschungsinstitute und Unternehmen mit klingenden Namen wie "Invent", "Simtec" oder "Avionik Zentrum" niedergelassen. Sie arbeiten im abstrakten, virtuellen , in die Zukunft projizierten Flugraum. Hier wird nicht in der Luft, sondern auf der Netzhaut, im Winkanal oder im Rechner geflogen - so als ob: Im Modell. Der Flughafen selbst wirkt wie die Simulation eines Flugbetriebes. Die Feuerwehrmänner üben jährlich den Ernstfall und spielen Patience auf dem Rechner, täglich. Wenn ein Cityhopper landet, helfen sie das Gepäck zum Bus zu tragen. Planespotter kommen vorbei, um die vereinzelten Maschinen durchs Teleobjektiv zu knipsen und die Seriennummern zu protokollieren. Auf Brunswick Airport " gibt es alles", sagt der Flughafenleiter — "nur eben in mini".

Aber Braunschweig braucht keinen Flughafenpriester. Einst als Militärflughafen gebaut und genutzt, starten nur vereinzelt Passagier-Flugzeuge. Hier stehen nicht Fernreisen auf dem Programm, sondern die Wirtschaftsverbindung zweier Länder via VW/Skoda (die Abflugtafel in der Schalterhalle sieht täglich zwei Flüge vor, nach Prag und zurück), sowie Schulungsflüge, Testflüge, und gelegentlich Notlandungen.

Brunswick Airport ist eine Theatersimulation für einzelne Zuschauer über den zuversichtlichen Blick des Technikers in den Himmel, eine akustische Konferenzschaltung von Stimmen aus dem internationalen Netzwerk der Flughäfen und ihrer Angestellten. Eine Woche lang verwandeln Kopfhörer und Wegweiser den Flughafen in eine Bühne, auf der die Abwesenheit des Jet-Sets im Echo der Check-In-Halle aufgeht. Das Publikum ist sein eigenes Cockpit, schaut hinauf und sieht die Maschinen vor seinem inneren Auge Streifen über den Himmel ziehen. Kein Zuschauer verlässt den Luftraum um den Tower am Otto-Lilienthal-Platz — und doch hebt die Theatermaschine hörbar ab. Brunswick Airport fliegt im Kopf.

Von: Helgard Haug, Stefan Kaegi, Daniel Wetzel
Mit: Ulrich Frost ( BGS, Passkontrolle), Herrn Riechweit (DB Sicherheitsdienst), Manfred Müller (Aerowest Flug Center GmbH), Thomas Okupnik (Feuerwehr), Professor Rüppell (Institut für Zoologie TU Braunschweig), Silvia Ohrmann und Jörn Pfingstgräff (Studenten am Institut für Luft-und Raumfahrdtechnik TU Braunschweig), Frank Morlang und Sven Kaltenhäuser (Institut für Flugführung, DLR Braunschweig), Wernher Baumbach (Geschäftsführer Flughafengesellschaft Braunschweig mbH), Frau und Herrn Eickenroth (Nachbarn Am Flughafen 15), Axel Thiel (Bundesstelle für Unfallforschung), Volker Brandt und Carsten Seehof (SIMTEC)

Assistenz: Irina Szodurch

Dramaturgie: Haiko Pfost

Produktion: Festival Theaterformen 2004

Aufführung: Braunschweig, Festival Theaterformen, Regionalflughafen, 4.-11. Juni 2004