Blaiberg und sweetheart19

Von Haug / Kaegi / Wetzel

Theaterstück über die Suche nach dem „richtigen Herz“ bei Herztransplantationen und Partnervermittlung und der Fortsetzung des Lebens auf der online-Plattform Second Life.

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Wie findet sich das geeignete Herz? Was haben Herztransplantationen und Speedflirting gemeinsam? Wie lassen sich Abstoßungsreaktionen vermeiden?

Dutzende von Menschen sterben in der Schweiz auf der Warteliste für Herztransplantationen, bevor das zu ihnen passende, rettende Herz gefunden werden konnte. Ein Kunstherz kann helfen, die Frist bis zur Transplantation zu überbrücken – eine mühsame Phase, in der das lautstark pumpende, externe Herz umgehängt oder auf Rädern wie in einer Golftasche dem Körper auf Schritt und Tritt folgt. Alle paar Stunden muss das künstliche Organ zum Aufladen an die Steckdose. Doch dann, plötzlich, ist Schnee und Eis: Spenderwetter! Und mit Glück wird das kranke Herz durch das eines anderen Menschen ausgetauscht. Danach beginnt das Leben noch einmal von vorn, das zweite Leben, in dem man täglich damit beschäftigt ist, den Körper davon abzuhalten, das lebensrettende Herz abzustoßen.

Der weiße Südafrikaner Philip Blaiberg war 1967 der erste Mensch, der sein eigenes totes Herz in den Händen halten konnte. In seinem Körper pumpte der Muskel von Clive Haupt, einem Farbigen, der zum Zeitpunkt der Operation nicht mit ihm auf der gleichen Busbank hätte sitzen dürfen.

Für Blaiberg und sweetheart19 recherchieren Rimini Protokoll in zwei Gesellschaftsgruppen: zum einen bei Menschen, die mit einem neuen Herzen weiterleben. Zum anderen im Internet:
Unter Namen wie "sweetheart19" suchen über fünfzig Prozent aller Schweizer Singles ihren Partner. Mehr und mehr Singlebörsen, Datingportale und Partnervermittler bieten online ihre Liebesdienste an. Der Zufall bringt offenbar nicht immer den richtigen Herzenspartner. Die erfolgreichste deutschsprachige Internet-Partnervermittlung verzeichnet 500 Anmeldungen pro Tag. Ein Online-Fragebogen ermittelt dort das persönliche Angebot-Nachfrage-Profil: Essverhalten, Sportlichkeit, politisches Interesse, emotionale Intelligenz, Tierliebe ... kleinste Details werden in so genannten Match-Punkte ausgewertet und dienen als Fährte zum idealen Partner. Bevor hinter dem viel versprechenden Fantasienamen eine wirkliche Person in Erscheinung tritt, wird der andere per E-Mail auf Herz und Nieren geprüft. Ein Teil des Ensembles von Blaiberg und sweetheart19 sind Menschen, die auf einer solchen Suche nach einem neuen Lebens(abschnitts)partner sind und mit Hilfe von Agenturen oder Internet in die Ferne greifen.

Wie wird der chirurgische Blick geschärft für das geeignete im Gegensatz zu all den anderen Herzen? Wie lassen sich hier Abstoßungsreaktionen vermeiden?


Von: Helgard Haug, Stefan Kaegi, Daniel Wetzel

Mit: Renate Behr (Kardiotechnikerin; bedient im Stadtspital Triemli die Herz-Lungen-Maschine), Hansueli Bertschinger (Professor emeritus der Veterinärmedizin, Mikrobiologe; spezialisiert auf Schweinekrankheiten), Jeanne Epple (Juristin; vermittelt Zahnbehandlungen und Kontakte zu heiratswilligen Frauen in Russland), Nick Ganz (Veranstalter von Single-Events und Speedflirting-Abenden), Heidi Mettler (lebt seit 2001 mit einem neuen Herzen), Crista D. Weisshaupt  (ehem. Kantonsrätin mit Organspenderausweis; sucht online einen Partner)
Umsetzung Bühnenbild: Marlene Baldauf

Second Life Design: BuhBuhCuh Fairchild
Regieassistenz: Almut Rembges
Dramaturgie: Imanuel Schipper
Produktion: Schauspielhaus Zürich 
Koproduktion: Hebbel am Ufer, Berlin

Premiere: Zürich, Schiffbauhalle, 31.März 2006